Skip to main content


Die Briten haben das Doom-Death-Geschehen in ihren Gründungsjahren geprägt und einen Sound kreiert, der im Doom Metal sowie im Death Metal auch heute noch weltweit über die Küste der britischen Insel nachhalt und von unzähligen Bands adaptiert wurde. Mit dem zweiten Album „Gothic“ erschuf man nahezu nebenbei ein neues Metal-Genre, welches in den vergangenen Jahrzenten wiederum als Blaupause für unzählige, heute teils selbst einflussreiche Bands galt und gilt.

Seit „Icon“ im Jahr 1993 erschien, sind PARADISE LOST Teil meines Lebens. Seither „leide“ ich mit der Band, die mir den Schlüssel zur Tür der klassischen wie schwermütigen Doom-, Death- und Gothic Metal-Sounds offenbarte. Die mich mit ihren massiven Gitarrenwänden, schleppenden, treibenden und stampfenden Drums und einer allumfassenden Melancholie in ihrer Stimmung bis heute nicht loslassen will. PARADISE LOST waren in all den Jahren für mich immer präsent, gleichwohl mir die Kollegen von My Dying Bride und Anathema nicht unbedingt weniger bedeuten. Wobei ich der stilistischen Entwicklung von letzteren spätestens ab „A Natural Disaster“ nicht mehr folgen konnte, obwohl ich diese respektiere. Und trotzdem ich My Dying Bride´s experimentelle Phase Mitte bis Ende der Neunziger am meisten schätze und sie die ersten waren, die sich seinerzeit wieder auf ihre Wurzeln besannen, ist unverkennbar, wie sehr Aaron Stairnthorpe und Andrew Craighan auf ihren letzten Veröffentlichungen musikalisch abgebaut haben.

Ich war überrascht, als PARADISE LOST zu Beginn des Jahres neben der Veröffentlichung ihres sechzehnten Studioalbums „Obsidian“ in Form von „No Celebration“ auch eine offizielle Biografie ankündigten. Noch erfreuter war ich, dass mir die Ehre zuteil wurde, das Buch vorab zu lesen und beschreiben zu dürfen.

Auseinandergesetzt hat sich mit David E. Gehlke, der mit „Systemstörung – Die Geschichte von Noise Records“ als Autor zuletzt in Erscheinung getreten ist, ein ausgewiesener Fan von PARADISE LOST. Unterstützt wurde er dabei von Albert Mudrian, dem Chef des Decibel Magazins und Autor von „Choosing Death – Die unglaubliche Geschichte von Death Metal und Grindcore“.

Die Biografie selbst beginnt in den Untiefen der Gründungsjahre und gewährt Einblicke in die Anfänge von Peaceville sowie die Liaison mit dem englischen Kultlabel. Sie entmystifiziert die Legende der Peaceville-Three bzw. des Doom-Dreigestirns mit den bereits erwähnten Konkurrenten und Weggefährten von Anathema und My Dying Bride zwischen denen nicht immer uneingeschränkte Harmonie herrschte. Das Duo Nyström/Renkse schwelgt über die Einflüsse, die PARADISE LOST auf Katatonia in ihrer Jugend ausübten und bestägen mir nach zwei Dekaden, warum mein erster Gedanke beim Hören von „Dance Of December Souls“ einst lautete: So würden Paradise Lost auf Black Metal klingen.

Gehlke erzählt die Geschichte der Band in der chronologischen Abfolge ihrer Alben. Vom Glück, zu Beginn ihrer Karriere mit Andy Farrow einen cleveren wie fähigen, vor allem aber einen loyalen Manager gefunden zu haben, der noch heute die Geschicke von PARADISE LOST lenkt. Gerade im ersten Karrieredrittel wird in die Anekdoten-Kiste gegriffen, wobei hier nach der Einleitung von Autor David kein geringerer als ein gewisser Karl Willets im Vorwort einen schwergewichtigen Anfang machen darf.

„No Celebration“ erzählt logischerweise aber auch von den Untiefen einer trotzdem beachtlich konstanten Karriere, als das Quintett, welches von Pech, Schwefel und Freundschaft zusammengeschweißt schien, Drummer Matthew Archer schassen musste, weil er am Durchbruch der Band nicht mehr in der Lage war, mit der musikalischen Entwicklung seiner Freunde Schritt zu halten. Es zeichnet den Höhepunkt der „Draconian Times“ nach und mit „One Second“ den Beginn einer Phase, in der sich die Abkehr vom Metal abzuzeichnen begann. An dieser Stelle werden die Touraktivitäten leider ausgeklammert. Erstaunlicherweise war ich seinerzeit von der Performance und der Setlist auf der „Draconian Times“-Tour mit Amorphis ob meiner Erwartungen ziemlich enttäuscht. Dagegen wurde ich wider Erwarten auf der Tour zum stilistisch für viele zur damaligen Zeit schon mehr als diskussionswürdigen Nachfolger absolut überzeugt.

„One Second“ läutet die Bergundtalfahrt ein, die vom Aufstieg und den Reizen der Majorindustrie, von Missverständnissen zwischen Band, Fans und Labels erzählt. Sony wollte eine Metalband signen und bekam mit PARADISE LOST einen Act, der sich gehäutet hatte und die Vergangenheit hinter sich lassen wollte. „Host“ ist bis heute das einzige Album der Briten, welches es nicht in meine umfassende Sammlung geschafft hat und auch nicht mehr schaffen wird. Ich sehe es nicht als Unfall oder GAU, sondern vielmehr als Experiment, das aus Sicht der Band zum Zeitpunkt seiner Entstehung einfach gemacht werden musste. Daher stimme ich mit Gehlke nicht überein, dass der Nachfolger „Believe In Nothing“ das schlechteste Album der PARADISE LOST – Diskografie ist. Zwar war es 2000 dem Zeitgeist des Independent und Alternative – Metal unterworfen aber es enthält ganz klar die klassischen Trademarks einer Band, die die Gitarren wieder entdeckt hatte.

Nach der Zeit in Saus und Braus als „..Abschreibungsobjekt für Robbie Williams...“ erhofften sich die relativ neu gegründeten GUN-Records mit dem einstigen Gothic Metal – Schwergewicht eine pflegeleichte Major-Combo, die ihnen Hits im Stile ihrer Labelmates Within Temptation oder HIM bescheren sollte. Allerdings war man spätestens nach dem Zwischenschritt „Symbol Of Life“ mit dem selbstbetitelten „Paradise Lost“ wieder im Metal angekommen.

Aber erst die Kooperation mit Century Media versöhnte die Nordengländer schließlich wieder mit ihren Wurzeln, deren Geflecht mit „Tragic Idol“ und „The Plague Within“ auf einem zweiten Zenit gipfelte. Geschichten um die empfehlenswerten Live-Dokumente „The Anatomy Of Melancholy“, „Draconian Times MMXI“, "Symphony Of The Lost" oder die „Drown In Darkness“-Compilation sowie „Tragic Illusion“ werden genauso wenig ausgeklammert wie Exkurse zu Vallenfyre und Bloodbath.

„No Celebration“ ist eine absolut spannende biografische Würdigung der Band PARADISE LOST. Das reich bebilderte Buch ist mit sehr viel Liebe zum Detail gelayoutet worden und reiht sich nahtlos in die optische Gestaltung der PARADISE LOST – Diskografie ein. Es hat mir unglaublich viel Freude bereitet, das musikalische Werk der Briten parallel zum Lesen noch einmal neu zu entdecken. Tatsächlich habe ich mich beispielsweise mit „Host“ anlässlich dieses Buches erstmals auseinander gesetzt. Bisher von mir weniger gewürdigte Werke wie „In Requiem“ oder „Faith Divides Us, Death Unites Us“ habe ich mehr denn je zu schätzen gelernt. Und nicht zuletzt den kongenialen Tribute-Sampler „As We Die For...PARADISE LOST“, welcher 1999 über Holy Records (s. Discogs und Musiksammler) veröffentlicht wurde, habe ich anlässlich dieser Lesereise mal wieder heraus gekramt.

Abgesehen von auffällig vielen Tippfehlern, die jedoch den Lesegenuss nur bedingt schmälern aber die man bei einer zweiten Auflage beheben sollte, gibt es an diesem Werk nichts zu bemängeln. Ganz im Gegenteil: Ich bin bereit und freue mich umso mehr auf „Obsidian“.

Die Basics zum Buch:
300 Seiten, Hardcover
ISBN 978-393687836-3

Das Buch ist über den Index-Verlag hier erhältlich:
https://de.index-verlag.spkr.media/gehlke-david-e/gehlke-david-e-no-celebration-die-offizielle-biografie-von-paradise-lost-book.html





Paradise Lost No Celebration bio

Bewertung

1

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.