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25 Jahre With Full Force

 

25 Jahre Metal, Hardcore, Punk

 

25 Jahre partywütiges Feiervolk liebt staubigen Acker

 

Vor einem Vierteljahrhundert also, haben sich musikinteressierte junge Menschen aus der Ecke Chemnitz/Zwickau zusammengetan, um was mit Musik irgendwie „draußen“ zu machen. Den Leuten scheint es gefallen zu haben, denn bereits beim ersten Mal kamen 2500 Besucher – stetig steigend.

So verließ man bald den Stadtpark in Werdau und zog auf den Flugplatz in Roitzschjora – später nur noch liebevoll „der härteste Acker der Welt“ genannt. Dort erlebte man 18 Jahre die schönsten Sommer seines Lebens und zu Spitzenzeiten teilten dies 30.000 Menschen gleichzeitig.

Seit 2017 residiert das alljährliche Musikfestival nun auf der Halbinsel Ferropolis, eine Stadt aus Eisen, welche scheinbar nur darauf gewartet hat, von Pyrotechnik erleuchtet und Typen wie Winston McCall angebrüllt zu werden.

Über die durchaus passende Location wird viel geschrieben und gelobt, aber auch gemeckert. Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich schon wieder viel verändert und weiterentwickelt – ein Zeichen dafür, dass die Veranstalter weiterhin dran bleiben, uns jedes Jahr ein standesgemäßes Fest zu präsentieren.

Die Campingflächen wurden etwas geändert und verlegt, so dass nur noch das Tagesparken tatsächlich oberhalb der Bundesstraße lag. Der Rest lag gemütlich beisammen und es dröhnte wieder die allseits bekannte und beliebte Zeltplatz-Action von allen Seiten durch die Luft. Der Shuttle-Service war spitze und Busfahrer wie Security haben mal wieder einen super Job gemacht. Grundsätzlich muss man die Security auf dem WFF irgendwie besonders loben: freundlich, informiert, redegewandt und deeskalierend bis zum Schluss – manchmal kommt man sich vor wie in einem Lehrvideo für Gewaltfreie Kommunikation ;-)

Die Getränkeversorgung ging dieses Jahr deutlich schneller! Zum einen wirkte das Personal nicht gänzlich überfordert, zum anderen wurden die überflüssigen und so gar nicht deeskalierend wirkenden Pfandmarken abgeschafft. Das zweite Jahr infolge wurden die Preise für Getränke und Speisen erhöht, befinden sich damit deutschlandweit aber immer noch im unteren Normalbereich.

Ein immer wieder heiß diskutierter Punkt auf dem Festival – und dafür liebe ich das Publikum – ist das Programmheft, welches man alljährlich erhält. Genau genommen sind es die Texte in eben diesem Programmheft. Es gibt ja Menschen, die behaupten der Schreiber der Bandtexte wäre der größte Schriftsteller aller Zeiten. Und es gibt Menschen, die lesen keine zwei Zeilen ohne sich vor Lachen zu bepissen. Dem WFF-Publikum muss man es vielleicht nicht erklären, den anderen sei gesagt: wenn man eine kurze präzise Zusammenfassung haben möchte, welche Band welche Musik spielt und wie sich das ungefähr anhört – Belphegorverschachtelt in Adjektiven und Verben die man so sicher nicht in der Schule lernt, der solle sich am Programmheft gütig tun. Beispiel? Bitte: „Belphegor kommen aus Österreich und spielen Diabolical Black-Deathmetal. Egal ob satanische Messen oder sexuelle Perversionen – die finstere Okkult-Fleischerkombo um das geistige Oberhaupt Hell-Mut dreht die dunklen Schrauben des Genres bis zum Anschlag an. Ergebnis ist ein wahnwitziges Soundgemetzel durch die tiefsten Schlünde der Hölle, die in dieser Intensität kaum eine andere Band erreicht.“  Nun war es die letzten Jahre so, dass die Texte an Intensität verloren hatten, fahl klangen oder einfach „gewöhnliche“ Wortneuschöpfungen enthielten. Man machte sich Sorgen. In Fachkreisen rätselte man. Was ist mit dem Texter passiert? Ist er weg? Krank? Hat man ihm das Bier beim Schreiben verboten? (Der Legende nach ist es immer nur Einer, nie ein Team…) Man wollte auf die Barrikaden gehen, Demos organisieren, eine Petition ins Laufen bringen. Denn auch auf der Homepage wurde nicht mehr mit lyrischen Ergüssen geworben, sondern mit Links zu Facebook- und Youtube-Kanälen der Bands. Ein wahres Trauerspiel!  Dann waren die Texte plötzlich wieder witzig, dreckig, bissig und vor allem (ganz wichtig) knackig und präzise auf dem Punkt. Nun fragt man sich natürlich, ist der alte Heftschreiber zurück? Wurden Nachkommen gezeugt? Reproduziert? Egal – is geil!

Geil war auch die musikalische Untermalung des diesjährigen Zusammenseins. Zum Jubiläum hat man sich wieder einiges gegönnt und sogar einen Überraschungsact angekündigt. Über die letzten Jahre hat sich in diesem Bereich wohl am Wenigsten wirklich verändert. Es ist, was es schon immer war, ein wunderbarer Mix aus Metal, Hardcore und Punk, der die unterschiedlichsten Leute zusammenführt und so das WFF-Publikum unverwechselbar macht. Genaue Beobachter werden erkennen, dass sich in den letzten Jahren ein Trend in jegliche Core-Richtungen abzeichnet. Für den weltoffenen und toleranten Durchschnittsbesucher völlig okay, für den jungen Nachwuchs total geil, für einige wenige ein Grund in den sozialen Medien auffallend auszufallen. Man kann es nicht jedem Pups recht machen, aber will man das denn?

Gestartet wurde für uns am Donnerstag mit ganz viel Stolz in der Brust und Pipi in den Augen. Nach vielen geilen Auftritten im Hard Bowl haben sich TOXPACK in unsere Herzen und nun tatsächlich auf die große Bühne gespielt. Mittlerweile eine feste Konstante auf dem Acker haben sich die Berliner Jungs sichtlich wohl, aber auch geehrt gefühlt und die Ferox Stage in der Nachmittagshitze zum Kochen gebracht. Zugegeben, bei Schulle und Co. fühle ich mich immer wie eine nervöse Mami die ihrem Kind bei einer Schulaufführung zuschaut. Sitzen die Klamotten? Geht es allen gut? Kann jeder seinen Text? Nicht, dass sie irgendwie unfähig wirken würden, nein im Gegenteil. Aber man gönnt es ihnen einfach von ganzem Herzen und erfreut sich an jedem guten Auftritt, der die Fans mitnimmt und vielleicht sogar den einen oder anderen Neuhörer abholt. Das Infield war gut gefüllt und die Stimmung war ausgezeichnet – Mami konnte sich beruhigen ;-)

PowerfloIIWeiter ging es für uns mit POWERFLO aus Los Angeles. Sen Dog und seine Jungs haben ordentlich abgeliefert und die feiernde Meute rücksichtslos in der prallen Sonne zerlegt. Sichtlich Spaß am Auftritt gaben die fünf alles und eine Bühnenperformance vom Feinsten.

BodyCountIIEin richtiges Sahnestück zum Jubiläum und quasi das Schmankerl für alle treuen Fans der ersten Stunde waren BODY COUNT mit Ice-motherfucking-T-bitch! Mit „Bloodlust“ einfach mal nach 25 Jahren eine mörderische Schreibe rauszuhauen, nur weil es die politischen Umstände erfordern und dann damit noch stimmgewaltig auf Tour zu gehen um allen Intelligenz-Allergikern nochmal von der Bühne aus in die Hirne zu pressen, dass Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und Polizeigewalt zwar nix neues, aber immer noch Scheiße sind; kann man machen spätestens jedoch seit der hässlichen Wahlschlacht um das Weiße Haus MUSS man es!

Am Freitag begaben wir uns mit TENDENCIA auf eine Reise in die frühen Sepultura-Zeiten. Angenehmer Sound mit krankem Mix aus fiesem 80er Trash und gegrunztem 90er Death flog einem um die Ohren und die Bühnenpräsenz des Sextetts gaben den Rest. Am Ende wusste man nicht mehr, wer und wo man war; aber man fühlte sich sehr erfüllt und glücklich. Ein Hauch von Kuba in der Stadt aus Eisen – sehr gern wieder!

Gefreut haben wir uns sehr auf die MOSCOW DEATH BRIGADE und wurden nicht enttäuscht. Junge, was haben die Feuer im Arsch!! Geiler Antifa-Hardcore-HipHop von mega sympathischen, maskierten Dudes in groovendem, elektronisch aufgebasstem Sound bewegt deinen Arsch und deinen Kopf! Perfekt im Hard Bowl angesiedelt Moscow Death Brigadezerlegten sie einfach mal alles inklusive sich selbst. Wirklich sehr zu empfehlende Combo, die auch bei kleinen Club-Gigs richtig abgeht und Stimmung macht!

Von Moskau ging es quasi direkt rüber nach New York – denn auf der Ferox Stage warteten schon MADBALL auf ihren Auftritt. Szenegröße, fester Bestandteil auf dem WFF, viel muss man dazu nicht mehr sagen. Heftiger Auftritt, Freddy Cricien mit unglaublich viel Power und auch der Rest der Band bewies die gesamte Show über richtig dicke Eier. Beide Seiten hatten hier richtig viel Spaß!

Während ESKIMO CALLBOY auf der Ferox Stage eine ihrer abgefuckten Partys feierten, genossen wir WOLVES IN THE THRONE ROOM auf der Metal Hammer Stage. Und hier kommen wir kurz zurück zu den erwähnten Texten im Programmheft. Wenn man eine Band oder eine Musikrichtung noch nicht kennt, ist es meist schwierig, sich etwas vorzustellen, Vergleiche zu ziehen oder sich komplett neu darauf einzulassen. Die Beschreibungstexte sind vor allem deshalb so gut, weil sie einem näher bringen, was man so sicher nie beschreiben würde, aber Sinn macht, wenn man dann plötzlich davor steht. So wurden die US-Staatsbürger aus Washington angekündigt, als Bespieler des spirituellen Extremhybriden, nämlich der Verbindung aus Ambient-Folk, Drone und Shoegaze mit hundsgemeiner Blackmetal-Raserei. Klingt gut – will man dann auch sehen! Steht man davor, sind es 3 wilde Kerle, der Blick entrückt, irgendwie fern dieser Welt, die jederzeit bereit sind, dir Licht und Schatten deiner eigenen Seele zu präsentieren und sich eine eigene atmosphärische, meditative Richtung im Metal geschaffen haben. Ein Auftritt der lange nachwirkt und viel lostritt, vor allem in einem selbst.

Das Tanzbein schwingend und mit wesentlich leichterer Kost zog es uns ins Hard Bowl zu PERKELE. Nach all den Jahren irgendwie auch feste Größe und Publikumsliebling fällt es den drei sympathischen Jungs aus Schweden leicht, die Meute zu unterhalten, abzuholen und mitzunehmen. Es wurde ausgelassen gefeiert und getanzt, spätestens jetzt ist man voll und ganz auf dem With Full Force angekommen! Umso erstaunlicher, dass der diesjährige Gig ohne den Klassiker „Heart full of Pride“ endete (enden musste?).

Judas PriestIn die Nacht entlassen wurden die Fans von den Briten von JUDAS PRIEST. In einem theatralischen Auftritt haben sie ihr neues Album präsentiert und auch viele alte Songs anklingen lassen. Insgesamt ein krasser Auftritt mit mehreren Kostümwechseln, viel Licht und starker Bühnenpräsenz.

Am Samstag verfluchten wir zunächst die Sonne, den Alkohol und unsere schnarchenden Nachbarn. Nach einem kräftetankenden Bad im Gremminer See (so nennt sich das schöne Gewässer rund um die ballernde Halbinsel) trabten wir Richtung Festival Gelände zu LIFE OF AGONY. Für mich persönlich der erste Auftritt der New Yorker, jedoch sicher nicht der Letzte. Abgefahrene Bühnenperformance von Mina Caputo gemixt mit einer Mischung aus Alternative Hardcore, Oldschool Hardcore und Grunge fesselten von der ersten Sekunde an und lies alles im Körper erbeben. Das geht tief unter die Haut und ergab mit der sich fallen lassenden Menschenmasse ein unglaublich stimmiges und harmonisches Bild – bei allem Krach!

MAMBO KURT feierte auf der Metal Hammer Stage wieder eine riesige abgeranzte Party mit unglaublich vielen Menschen auf, neben und vor der Bühne. Unfassbar, wieviel Stimmung dieser adrette Herr mit seiner Heimorgel bei den Festivalbesuchern auslöst. Als hätte er ihnen vorher eigenhändig den Anstand entfernt und durch eine kleine Minibar ersetzt. Fetzig!

Auch SOULFLY mit ihrem bekannten megafett groovenden Trash lieferten ab, ohne jedoch aufzufallen oder besonders „motiviert“ gewirkt zu haben. Ganz anders dann die Australier von PARKWAY DRIVE! Was geht???!? Auch diese Jungs sahen wir zum ersten Mal, begleiten sie aber schon lange, da sie ja in der Szene immer mehr wachsen. Angefangen mit dem üblichen, teils etwas stumpfen Metalcore-Skills entwickelten sich die „Beachboys“ sehr schnell weiter und machen nun fette, handgemachte, laute Musik mit Niveau und Stil. Bekannt für ihre zahlreichen und harten Breakdowns, die Verwendung von Soli und den Verzicht auf den Metalcore-typischen Clean-Gesang steigen sie gerade ganz hoch und da gehören sie nun mal auch hin!

BeatsteaksZum Saturday Night Special wurde dann ein Surprise-Act versprochen, geheim bis zur letzten Minute! Und dieser Act hatte es in sich: man konnte gar nicht sagen, wer sich mehr gefreut hat – die Band oder die Leute. Als die BEATSTEAKS auf die Bühne kamen, verwandelte sich die Menschenmasse in ein riesiges Partymeer. Alles schien auszurasten und man erinnerte sich wieder daran, dass die Berliner Jungs ganz schön punkig sind. Das gesamte Hard Bowl Zelt bebte und es fühlte sich an wie Abriss. Frontman Arnim war überall, oben unten links rechts, nur nicht auf der Bühne. Die Security stöhnte bei der Masse an Crowdsurfern und einige freuten sich mit bengalischen Lichtern über diese geile Geburtstagsüberraschung. Fetter Gig – Fetter Dank dafür!

Den Abschluss für uns bildeten APOCALYPTICA mit ihrem Metallica-Programm und denkwürdiger und angemessener kann man so ein Festival wie das With Full Force wohl kaum beenden. In würdigem Ambiente mit erst nur 4 Cellos und weißem Licht verwandelten die Schweden das tobende Party-Gelände in ein düster-emotionales Klassikreich bei dem man die müden Leiber entspannen und den Kopf frei pusten konnte. Als das Schlagzeug dazu kam und alle meditativ am headbangen waren wurde jedem klar, dass dies hier ein wundervoll stimmiger Abschluss für das diesjährige und somit 25. WFF-Festival ist!

Im Gesamten kann und muss man sagen, dass es wieder eine gelungene Fete war. Eine schöne Mischung aus Headlinern, geiles Wetter und natürlich das fetteste Publikum weltweit haben mal wieder für ein paar schöne Sommerabende gesorgt und abermals bewiesen, dass die With Full Force Family „Unerwartetes zeigt, Shows unglaublich abfeiern kann und in der Lage ist, eine Eigendynamik zu entwickeln, wie es sich so mancher Event weltweit wünschen würde“.

Bilder von Dirk "The Pixeleye" Behlau

www.dirkbehlau.de

Headliner

Judas Priest, Parkway Drive, Bullet For My Valentine

Besucher

25.000

Ort

06773 Gräfenhainichen - Ferropolis

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