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Zander, Frank - Ein Leben für die Schattenwelt

Als eine Interviewanfrage von Frank Zander kam, war ich schon etwas verwundert, kenne ich den Berliner doch eher von Schlagern wie „Wenn Wir Alle Engel Wären“ und „Hier kommt Kurt“.

 

Als eine Interviewanfrage von Frank Zander kam, war ich schon etwas verwundert, kenne ich den Berliner doch eher von Schlagern wie „Wenn Wir Alle Engel Wären“ und „Hier kommt Kurt“.

Die Jüngste Veröffentlichung ´Rabenschwarz´ unterscheidet sich von den anderen doch deutlich, mehr dazu im Review an anderer Stelle. Je mehr ich mich mit Frank Zander beschäftigt habe, desto deutlicher wurde, dass man ihn nicht auf den Schlagerfuzzi beschränken kann. Ich war also gespannt, als die Vorzimmerdame anrief und mich durchstellte.
Am Anfang musste ich natürlich erstmal die Anrede klären, immerhin hat Herr Zander schon 62 Lenze auf dem Buckel. Aber das Du ist ihm angenehmer, weil es ihm näher ist. OK Frank, dann mal los.
Es ist ja überall zu lesen, dass die Idee in Zusammenarbeit mit dem OX Fanzine entstanden ist, soweit so gut, aber wie kam es zum Kontakt der zwei Welten?

Das kam durch das Album ´A Tribute To Gunther Gabriel´. Der Redakteur war auf einem Konzert von Gunther und da kam die Idee. Er war der Held seiner Jugend und ich wohl auch. Egal was für harte Musik gemacht wird, die waren ja mal alle Kinder und haben die Sachen gehört. Ich hab ja mit verrückten Sachen wie dem Nick Nach Man und so angefangen. Die haben mich dann angemailt, ob ich nicht Lust hätte mitzumachen, auch Bands wie die ärzte sind dabei. Nach drei Anfragen hab ich gesagt: warum nicht? Und hab mir Komm unter meine Decke rausgepickt.

Und das war der Anstoß für alles weitere?

Ja, ich hab im Studio dann gemerkt, dass das richtig Spaß macht und erfrischend ist. Ich hab mich dann sofort daran gemacht, andere Titel zu finden und die dann dem entsprechend zu verhärten. Ich hab das dann den Jungs geschickt und die waren völlig begeistert und so ging es dann weiter. Das ging schnell, wir haben das alles in 6 Wochen gemacht und es war ein riesiger Spaß, auch die Zusammenarbeit mit den Studiomusikern (unter anderem von Silbermond – Trille), die auch begeistert waren. Es war eine phonetische Frischzellenkur, und ich will damit weiter machen.

Frank ist sich schon im Klaren darüber, dass er mit dieser Platte einige Leute ziemlich vor den Kopf gestoßen hat, macht sich darum aber keine Sorgen.

Ach in meinem Alter ist das OK. Man sollte das alles nicht so ernst nehmen, es gehört doch alles zur Musik.

An der Platte ist auffällig, dass nur Liebeslieder auf ihr gelandet sind. Warum nicht Schlager wie ´Mein Freund der Baum´ gecovert wurden, ist kein Zufall - oder?!

Es mussten banale Liebesgeschichten sein um sie so umzugestalten, dass es so aussieht, als wäre ich ein Frauenmörder. Das macht ja gerade den Spaß aus.

Wird diese Verbindung wird auch in Zukunft eine Rolle spielen?

Ja, für die nächste Platte plane ich ´Weine nicht kleine Eva´ von den Flippers zu covern, du kannst dir vorstellen, wie das klingt. Das ist wirklich der Herr mit dem langen schwarzen Mantel im Park. Diese Umkehrung ist für mich der Spaß.

Erstaunlich ist, dass Texte wie ´Manchmal möchte ich schon mit Dir´ doch erstaunlich gut zur Musik passen und auch aus mancher Gruftfeder hätten stammen können.

Ja, das stimmt, darum bin ich gerade so am rudern. Es gibt noch so viele Schnulzen, die man so verändern kann, dass sie ein ganz anderes Gesicht bekommen.

Gerade dieses Gesicht missfällt aber einigen der Schlagerfuzzis doch gewaltig; doch auch hier sieht Herr Zander die Lage ganz entspannt.

Die GEMA geht ja an die Herrschaften, die das geschrieben haben, davon bekomme ich ja überhaupt nichts ab, obwohl wir von der Musik ja ne Menge geändert haben. Das ist so und ja auch fair. Ich wollte ja auch ein bisschen Aufregung erzeugen.

Sehen die Anderen dich denn jetzt als Nestbeschmutzer an?

Ja (lacht), ich hab so lange da mit gemacht, ich darf mir das mal erlauben. Ich bin seit 35 Jahren in der Branche. Ich kenne das ganze Gehabe. Allein dieser Begriff „deutscher Schlager“ riecht nach Nafterlin, da passiert doch nichts mehr. Man müsste mal neue Begriffe finden, es gibt so viele neue deutschsprachige Bands, die so erfrischend neu klingen. Der alte deutsche Schlager ist einfach tot. Und dann hab ich mir gedacht, dann begrab ich den mal.

Damit schaufelt sich Frank aber auch sein eigenes Grab, denn von den Erlösen aus dieser Branche hat er ja ganz gut gelebt.

Ich sehe das offen, das ist ja eine Provokation. Da gibt es gar keine Basis mehr. Da gibt es noch ein paar Sendungen und das war´s. Ich war neulich auf einer Punk Veranstaltung und das war sehr erfrischend, da waren zwar schräge Typen, aber wir haben uns gut verstanden. Danach war ich auf so einer riesigen Schlagerveranstaltung, die wohl meine letzte gewesen sein wird. Die haben ein Jahr gebraucht, um die Halle voll zu bekommen. Davor hat Anastasia gespielt, da waren die Karten innerhalb von einer Woche weg. Das war eine traurige Angelegenheit, den deutschen Schlager so weiter zu pflegen.

Da hat sich der Berliner dann dazu entschlossen, aktive Sterbehilfe zu leisten.

Ja, es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder ich mache weiter Schlager, was bedeutet, dass ich meine Seele verkaufe oder ich gehe in die harte Richtung zurück, aus der ich ja komme.

Es ist klar, dass die Schlagerfans sicher nicht begeistert von dem Kurswechsel sind. Frank selber beschreibt, dass er in seiner Karriere immer musikalische Haken geschlagen hat und stetig Neues ausprobiert hat. Das hat zur Folge, dass es keine Fanbase gibt, die ihm durch alle Phasen die Treue gehalten hat, was ja auch wirklich extreme Toleranz fordern würde.

Stimmt, es gibt so etwas nicht, ich bekomme aber Mails, die mich wieder herzlich willkommen heißen. Die Leute kennen mich von früher und hätten nicht gedacht, dass ich so etwas im Alter noch mache. Ich hab ja so angefangen. Hätte ich nur geschnulzt und damit viel Kohle gemacht, hätte man mir diese Platte zu Recht nicht abgenommen. Howard Capendale hätte das nicht machen dürfen. Die Schlagerfans schreiben eher, dass sie damit nicht zurecht kommen, die wollen eine kleine Kritik anmelden, die sind da ja sehr vorsichtig. Ich bin froh dass die Schlagerzeit vorbei ist, jetzt kann ich wieder mit Freude produzieren.

An ´Rabenschwarz´ hängt wesentlich mehr Herzblut als an den Muttertags CDs, was er auch offen eingesteht, obwohl die persönliche Namensnennung eine der kreativsten Wege war, den Brennern das Handwerk zu versauen.

Das war ja einfach nur eine Geldeinnahme, bei ´Rabenschwarz´ haben wir erstmal investiert und kommen langsam in die Charts. Es freut mich, von unten zu kommen, während die ganzen Majors ihre Platten in die Charts drängen.

Die Platte ist aber oft auch noch bei den deutschen Interpreten im Zander Fach abgelegt. Andere Bands - wie die erwähnten Silbermond - stehen unter Rock Pop. Da geht die Sortierung eindeutig an der Zielgruppe vorbei.

Es herrscht noch eine unheimliche Unordnung. Aber sie verkauft sich trotzdem. Viele wollen die Lieder ihrer Jugend mal gequält hören.

Die Veröffentlichungen von Onkel Tom und Tankwart, die ja in eine ähnliche Richtung zielen, hat Frank sich zwar angehört, er sieht aber schon stilistische Unterschiede.

Ja ich hab da rein gehört, aber da fehlt mir natürlich die Gothic Abteilung. Heute sprechen mich Leute an und sagen, dass meine ersten Sachen wie der Nick Nack Man Gothic waren; sie waren wohl der Zeit voraus. Es waren mit die ersten Sachen mit Schlagzeugmaschine.

Die Produktion hat so viel Freude gemacht, dass bald Rabenschwarz II folgen wird.

Ich hab neulich versucht, so ´ne Party CD zu machen und bin immer stecken geblieben und wusste einfach nicht, was ich da machen sollte und hab´s gelassen.

Klar ist ja, dass jedem etwas leichter von der Hand geht, wenn die Begeisterung da ist. Und die kommt beim Gitarristen Zander vor allem durch den Sound seines Instrumentes zustande.

Die Gitarre muss im Vordergrund stehen und nicht weichgespült werden. Bei den Aufnahmen hab ich natürlich von den Gitarristen profitiert, die mir unterschiedliche Sounds vorgeschlagen haben, aus denen wir dann gewählt haben. Ich hab mich schon immer geärgert, dass die Fernsehredakteure gesagt haben, was ich zu machen und wie ich zu klingen habe. Das nervte unheimlich. Da hab ich entschieden und den Leuten gesagt, dass sie mich am Arsch lecken können und ich nun die Sachen mache, auf die ich Lust habe.

Da ist es ihm auch egal, dass er mit dieser Musik nicht die Auftritte beim Fernsehen bekommt, die ihm mit einer anderen Veröffentlichung sicher gewesen wären. Er plant statt dessen, wieder von unten die Platte mit einer Clubtour zu promoten.

Ich sehe das alles schon vor meinem geistigen Auge. Da wird es düstere Projektionen geben, die Musiker werden mit Ober- und Unterlicht bestrahlt. Es soll eine Stimmung herrschen, die zu den Songs passt. Die Musiker warten schon auf die Tour. Aber die machen wir erst, wenn das nächste Album in Kasten ist.

Das liegt auch daran, dass Frank den Anspruch hat, sein Publikum ca. 2 Stunden zu unterhalten und dazu bedarf es natürlich mehr Material. Zum Schluss aber zu einem ganz anderen, aber bemerkenswerten Thema. Frank Zander veranstaltet in jedem Jahr ein Essen für ca. 1.500 Obdachlose und wegen dieses Engagements hat er vor drei Jahren das Bundesverdienstkreuz erhalten. Als später überlegt wurde, auch Dieter Bohlen eines zu verleihen, lief für Zander das Fass über.

Da hab ich gesagt, wenn der eins bekommt, dann gebe ich meins zurück, aber mit richtig Tamm Tamm. Und plötzlich war der Kontakt zu RTL wie abgerissen, die wollten wohl ihre heilige Kuh nicht beschmutzen lassen.

Einmal in Fahrt, geht es weiter mit der Zuneigung für den Buttermilchhampel.

Der ist nur egoistisch, ich kenn ihn 30 Jahre. Der denkt nur an sich und meint wirklich, man muss geizig sein. Ich weiß, dass der nur machen ließ. Der ist ein Geschäftsmann, der gute Leute hat. Der hat nie selber gesungen, dass muss man sich mal vorstellen. Das ist so eine Abart und ein Auswuchs, da kann ich nur sagen: diesen Pickel muss man ausdrücken!

Aber zurück zum Grund für die eigene Ehrung, es scheint dir ja ein Bedürfnis gewesen zu sein, denn du hast es ja schon lange bevor es honoriert wurde gemacht.

Ja klar, das ist für mich Weihnachten und ich bin stolz darauf. Mein Gott, ich kann mir doch alles kaufen und stehe im Sonnenschein. Da fühle ich mich verpflichtet, was für die Anderen zu tun, darum machen wir das. Es gibt viele Anfragen von anderen Bands und Musikern, die alle helfen. Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Ich will mich da nicht raushalten und das werde ich solange machen wie ich die Kraft dafür habe. Die neuen Produktionen geben mir Kraft und kommen dem zu Gute, obwohl sie ja eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Ich bin Urberliner und will auch etwas für Berlin tun.

Dein bemerkenswerter Unterschied zu anderen karitativen Angeboten dieser Art ist, dass zu Gans und Rotkohl auch ein Pils gereicht wird.

Na klar wurde ich darauf schon angesprochen. Die Jungs kommen so wie so mit einer Fahne. Ich will die ja nicht trocken legen. Es gibt natürlich keinen Wodka aber Bier – meine Fresse, die wollen feiern und sind froh, weil sie von uns bedient werden.

Einen moralischen Anspruch gibt es also nicht.

Ne, die nehmen einfach so viel Wärme mit. Ich hab extra auch zwei Garagen angemietet, in denen lagert Kleidung, Kinderspielzeug und so, das wir den Leuten mitgeben. Dafür haue ich auch alle an, die ich kenne. Ich plane eine Stiftung zu gründen, bei der das Geld dann eingefroren wird, damit es ein paar Zinsen gibt. Bisher haben die Banken mir überhaupt nicht geholfen. Wir brauchen immer etwa 40.000€ und dieses Jahr sieht es ganz gut aus.

Dieser Einsatz zeigt, dass Zander aus seinem Image als düsterer Zeitgenosse ausbricht und nicht selbstverzweifelt auf die Welt scheißt.

Nee, auf keinen Fall, es ist ne Tatsache, dass es immer mehr arme Leute gibt. Ich schau mir gern Vampirfilme an, aber da ist die Welt eine völlig andere. Das muss man sehen und danach handle ich. Ich bin also für die Schattenwelt da, vielleicht ist das das Verbindende.

Zu der Platte kann man stehen wie man will, ich hätte nicht gedacht, ein so gutes Gespräch zu führen. Nun ist mir auch klar, warum er den Titel `Blödelbarde´ ablehnt, wird dies ihm und seinen vielen Seiten doch nicht gerecht.

 


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Infos

  • Erstellt am

    15. Oktober 2005
  • Line Up

  • Redakteur

    Tobias Trillmich
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