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Annihilator – 00Waters in “Mission: Suicide Society” (August 2015)

Es hatte ein wenig etwas von einem Agentenfilm: Zunächst war nur klar, dass der „King of the Kill“ Jeff Waters in der Landeshauptstadt sein würde. Kontaktpersonen und Aufenthaltsort wurden jedoch streng geheim gehalten. Erst kurz vor dem vereinbarten Termin wurde bekannt, dass ich den Kanadier in einem hannoverschen Industriegebiet treffen sollte. In letzter Sekunde kam dann jedoch die Order, dass mich Mr. Waters in einem Hotel am Maschsee erwarten würde.

Es hatte ein wenig etwas von einem Agentenfilm: Zunächst war nur klar, dass der „King of the Kill“ Jeff Waters in der Landeshauptstadt sein würde. Kontaktpersonen und Aufenthaltsort wurden jedoch streng geheim gehalten. Erst kurz vor dem vereinbarten Termin wurde bekannt, dass ich den Kanadier in einem hannoverschen Industriegebiet treffen sollte. In letzter Sekunde kam dann jedoch die Order, dass mich Mr. Waters in einem Hotel am Maschsee erwarten würde.

 

An einem regnerischen Montag im Juni machte ich mich also auf den Weg, um nach vielen Jahren mal wieder Angesicht zu Angesicht mit ANNIHILATOR Chef Jeff Waters zu quatschen. Positiver Nebeneffekt: Vor dem Hotel traf ich zunächst auf Jay Lansford (einstmals GIGANTOR Bassist) und konnte mit ihm ausführlich quatschen. Doch schließlich schlug die Turmuhr 15 Uhr und Jeff Waters erschien ausgeruht und redefreudig im Foyer, um einen ganzen Stapel ANNIHILATOR Cover zu signieren!

„Wow, lots of records, lots of tours, lots of Line Ups, different sound, lots of money – no money! Everything!“, stellt Jeff bei dem Anblick der Cover fest. Gemeinsam müssen wir feststellen, dass die Zeit nicht stehen bleibt. „Wir haben 1984 mit ANNIHILATOR begonnen. Wir sind jetzt also 30 Jahre dabei. Unglaublich. Wir hatten Ups and Downs – nichts dazwischen.“

Und offenbar gehören die Aufenthalte in Hannover zu den guten Erinnerungen des Flitzefingers. Immerhin war am Abend zuvor auf seiner Facebook Seite zu lesen, dass er sich freue wieder in Hannover zu sein. Und wer freut sich schon wirklich darüber in Hannover zu sein? Mal ehrlich – bekanntlich soll ja das Schönste an Hannover der Zug nach Hamburg sein.

„Ich möchte nicht hier leben. Ich habe lange Jahre überlegt nach Deutschland zu ziehen. Allerdings ist es eine harte Entscheidung wenn man in Kanada lebt, denn dort ist es wirklich wunderschön. Wir haben einige Male in Hannover gespielt – zwei Mal mit JUDAS PRIEST, 2004 und 1991 – und ich hatte einen Vertrag mit SPV unterschrieben. Unser Manager kam aus Hannover und ich hatte sogar mal eine Freundin aus Hannover. Jetzt kommen UDR Records aus Hannover und auch die Videoproduktionsfirma sitzt hier. Hannover war immer eine Rückzugsstadt, kein Platz für junge Leute wo viel los ist. Hier gibt es viele ältere Leute und ich mag solche Städte manchmal. Wenn man viel unterwegs ist und ständig Leute und laute Musik um sich hat, dann mag ich solche ruhigeren Plätze. So ist es auch in meiner Heimat Ottawa. Ottawa ist das Hannover Kanadas. Ich bin gerade an den Stadtrand gezogen. Ich mag Hannover weil ich hier nette Leute kenne und weil es eine ruhige Stadt ist in der man mal die Batterien aufladen kann. That’s it.“

„Suicide Society“ ist also definitiv kein Song über die verrückte Bürgerschaft Hannovers. Als ich den Song das erste Mal hörte, erinnerte er mich inhaltlich etwas an „Stonewall“ oder „Reduced To Ash“ Part 2. Täuscht mich der Eindruck? Ist diese Umweltproblematik so etwas wie das Thema der neuen Scheibe?

Nein, es ist das Thema dieses Songs. Er war der erste Track der Scheibe und ich fand, dass es auch ein guter Titel für die CD sei, obwohl das Cover etwas anders geworden ist als der Inhalt des Songs. Der Song ist nur einer von neun Songs und das Thema ist nicht wirklich neu, sondern eher etwas klischeehaft und ausgelatscht. Die Leute sprechen immer über die Umweltprobleme und wie wir Menschen Schlechtes tun. Je mehr ich mich jedoch mit der Idee beschäftigt habe, desto mehr hat es mich beschäftigt. Wenn man sich mal zurück lehnt und darüber nachdenkt was die Menschen sich gegenseitig und dem Planeten antun, ist es schon verrückt. Man hört diese Statements natürlich immer und überall und wir wissen, was die Probleme sind. Ich bin kein Umweltaktivist, ich bin kein Vegetarier, ich bin nicht religiös und ich weiß nicht viel über Politik. Ich bin Musiker und damit kenne ich mich aus, sonst mit nichts. Von daher ist dieser Song ein ungebildeter Blick auf das Problem. Ein sehr schlichter Song in dem es keine lyrischen oder intellektuellen Besonderheiten gibt. Ich wette aber mit dir, dass sich viele Leute wenn sie älter werden auch die Zeit nehmen, wie ich es getan habe, um über diese Fragen nachzudenken. Es ist leicht von diesen ganzen Dingen zu hören: Drogen, verrückte Mediziner, korrupte Politiker, die ganze Kriminalität, der Terror, die Verschmutzung usw. Ich könnte den ganzen Tag weitermachen und man würde immer noch neue Dinge hinzufügen können. Dies waren immer Dinge, von denen ich wusste und über die ich dachte, dass sie mich nicht so sehr betreffen würde und ich lebte einfach immer weiter. Doch man wird älter und bekommt Kinder und man denkt darüber nach wie es für die Kinder und deren Kinder aussehen wird. Irgendwann versteht man dann, dass wir den Karren gegen eine Wand fahren und man ist schockiert darüber wie wir uns verhalten. Dann sieht man Bilder aus China oder aus sonst wo wie Hunde gequält und getötet werden und man fragt sich, warum wir so viele schlimme Dinge tun. In dem Song gehe ich nicht in die Details, denn es ist nur ein verdammter Metal Song. Am Ende sage ich aber, dass es noch nicht zu spät ist, wenn wir jetzt endlich handeln. In Kanada sollen wir recyceln und alles in andere Boxen tun. Wenn man sich mal informiert, dann merken wir schnell, dass uns Recycling ein gutes Gefühl gibt, unsere Umweltprobleme dadurch aber nicht gelöst werden. Die Lösungen müssen von den Führern kommen und solange die die Probleme nicht wirklich anpacken, können wir so viel recyceln wie wir wollen – wir werden die Probleme nicht lösen. Der Songs ist also eher pessimistisch, denn wir werden unsere Lektion auf die harte Weise lernen. Wir werden kein Öl und Benzin mehr haben und die Menschen werden sich darüber beschweren. Wir könnten die Energieprobleme lösen, aber die Menschen müssten aufhören so egoistisch zu sein. Eigentlich ist es mir egal, denn ich lebe mein Leben und versuche ein guter Mensch zu sein und predige den Menschen nicht was sie tun und lassen sollen. Doch dieser Song war mir sehr wichtig. Er ist etwas wie „Stonewall“, nur bedeutet es mir heute mehr als damals.“

Hat sich denn deiner Meinung nach seit „Stonewall“ etwas an der Situation verändert?

„Oh, ich bin mir sicher, dass sich viele Dinge geändert haben. Es gibt viele positive Entwicklungen, aber Öl wächst nicht auf Bäumen, die Luft ist nicht sauber genug und es gibt auch keinen Wunderbrunnen in Kalifornien, damit die dort genug Wasser haben. Es gibt keine Zauberlösungen für diese Probleme. Die Bevölkerung wächst immer an und wir werden alle zur Hölle fahren. Ich weiß, dass wir die Probleme lösen müssen, aber ich habe keine Ahnung wie es geschehen soll.“

Was sehr schade ist.

„Ja, vielleicht werde ich eines Tages aufwachen und eine tolle Idee haben. Dann werde ich Kanzler Jeff. Na ja, das Cover war eine ganz andere Geschichte. Es ist nicht so ernst wie der Titel, sondern eher eine Mischung aus Terminator, Iron Man, Eddie und dem Typen von MEGADETH. Das Leben ist ein Experiment und irgendwo sitzt jemand der alles erschaffen hat. Ich mag die Idee, dass der Schöpfer sieht, dass wir alles an die Wand fahren und er kommt wieder und schafft eine neue „Menschheit“. Ich mag diese Fantasy Ideen.“

Dann lass uns doch kurz über die Musik der neuen Scheibe sprechen. Es gibt einige wirklich ANNIHILATOR-typische Riffs auf der Scheibe. Allerdings kannte deine Plattenfirma die Songs im Vorfeld auch nicht. Kümmerst du dich beim Songwriting heute noch darum wie die Leute wohl auf die Songs reagieren könnten?

„Nein. Wenn es meine zweite oder dritte Scheibe wäre, würde ich mir Gedanken darüber machen. Ich habe nie gesagt, dass ich einen brandneuen Sound habe oder mit total neuen Ideen komme. Schon beim ersten Album habe ich in einem Interview gesagt, dass ich Hetfield, Mustain, Jabs, Young, Adrian Smith, die Priest-Jungs usw. bin. Man hört meine Einflüsse und du und die anderen Hörer können sicherlich viele dieser Einflüsse in den Songs erkennen: Der Songs hat diesen „Master of Puppets“-Vibe, hier hören wir etwas SLAYER und da klingt der Gesang nach Hetfield. Ich habe niemals etwas anderes gemacht. Der einzige Unterschied bei dieser Platte ist, dass es mal wieder einen neuen Sänger gibt und dass die Produktion viel besser ist als bei den vorherigen Alben. Ich habe zwar früher schon gesungen, aber ich bin kein Sänger. Trotzdem wollte ich die Songs auf dieser Scheibe singen, denn die Songs und Lyrics waren alle fertig und ich musste nur ins Studio gehen und die Vocals aufnehmen. Trotzdem hat es mehrere Monate gedauert und ich habe Gesangsstunden genommen. Ich wollte herausfinden was ich nicht an meiner Stimme mochte. Das war einfach, doch ich wollte auch wissen, was ich mag. Da habe ich dann zwei, nein eigentlich vier Dinge gefunden. Ich habe dann also versucht die schlechten Dinge nicht zu tun.

Ich singe in der Dusche und in meinem Haus. Und wenn ich singe, dann singe ich nicht DIO, Dickinson oder JUDAS PRIEST, weil ich es schlicht nicht kann. Dies sind die besten Sänger der Welt. Ich singe die Leute, die fast singen können so wie Hetfield, Ozzy oder Mustain. Ich könnte Coversongs dieser Bands spielen und es wäre okay. Die Leute würden sagen, dass ich nicht so gut singen kann wie andere, aber doch fast so gut. Auf der Platte hört man nun den Waters der versucht hat so gut wie möglich zu klingen und nicht den, der total glücklich war wieder am Mikro zu stehen.

Wenn du jetzt irgendeinen anderen Sänger oder Gitarrist hier sitzen hättest der dir erzählt wie originell er ist und dass er keine Einflüsse hat, dann könnte ich dir sicherlich zuflüstern woher er die Sachen „gestohlen“ hat. Niemand von uns ist originell und man kann nur versuchen die Einflüsse so gut wie möglich zu mischen. Wenn Kritiker wie du eine Platte hören, dann sucht ihr doch auch nach diesen Einflüssen und erkennt sie sofort.“

Ich finde es auch gar nicht schlimm, wenn man Bands anhört welche Einflüsse sie haben.

„Genau. Schlimm wird es nur, wenn die Bands einfach nur stehlen. Das ist unehrlich und illegal. Aber ich sage seit 30 Jahren, dass ich nicht besonders originell bin.“

In einem Mailorderkatalog wurdest du zitiert. Du sollst gesagt haben, dass die UDR Leute wohl auf ein „Feast“ Teil 2 hofften. Wie haben sie denn nun reagiert?

„Das ist ein Grund gewesen weshalb ich den Ausstieg von Dave (Padden – Vocals bis 2014) geheim gehalten habe. Dave sagte mir im Dezember 2014, dass er nicht mehr in der Band sein wollte. Er sagte, dass wir in den letzten 12 Jahren viele gute Dinge erlebt hatten, dass er aber seit einigen Jahren nicht mehr wirklich dabei war. Ich wollte es nicht eingestehen, aber natürlich wusste ich, dass die Einstellung in den letzten Jahren nicht mehr stimmte. Dave wollte nicht ins Studio gehen und hatte keine Lust zu touren. Im Studio hat er die Töne super getroffen, aber die Einstellung fehlte ihm. Die Entscheidung die Band zu verlassen kam dann von ihm, nicht von mir. Ich habe Panik bekommen, als er es mir mitteilte. Er sagte, dass wir es nicht an die große Glocke hängen würden, denn ich wollte mir erst überlegen, ob ich einen neuen Sänger suchen oder es selber machen wollte. Es ist sicherlich nicht die größte Schlagzeile der Welt, aber in unserem kleinen Teil der Musikwelt war es schon eine Schlagzeile. Ich wollte nicht, dass die Leute denken würden, dass der Ausstieg von Dave das Ende von ANNIHILATOR wäre. Ich wollte, dass die Leute hören: Tour, Bild es aktuellen Line Ups und Audioclips mit neuem Material. Die Leute sollten hören, dass es nach Dave weitergehen würde und sie sollten ANNIHILATOR eine Chance geben. Meine Verlobte, unser Drummer und Dan Beehler von EXCITER waren die einzigen Leute, die von der Trennung wussten – mein Label hatte keine Ahnung. Als sie davon erfuhren, habe ich ihnen die neue Scheibe präsentiert.“

Und sie waren glücklich?

„Sie waren schockiert. Und sie mussten sich erstmal besprechen. Nach zwei Wochen meldeten sie sich und sagten, dass sie das Album den Leuten von Warner vorgespielt hätten. Eigentlich interessiert sich der Vertrieb nicht besonders für eine Metal Band unserer Größe. Doch Warner sagte, dass sie sofort zwei Videos haben wollten, für „Snap“ und für „Suicide Society“. Das war vorher noch nie geschehen und ich war sehr glücklich darüber. Das ist also auch ein Grund, weshalb ich gerade hier in Hannover bin. Es sollte eigentlich kein Pressetrip werden, sondern wir wollten die beiden Videos shooten. Dann wurde entschieden, dass wir noch etwas hier bleiben und auch gleich mit der Presse sprechen, obwohl es eigentlich etwas früh ist, da das Album ja erst im September erscheinen wird.“

Ich wollte dich ohnehin auf die Videos ansprechen. Du sagtest ja bereits, dass ihr zwei Videos produziert habt…

„…und nun wollen sie ein drittes Video machen. Das erste Video ist noch nicht mal draußen und wir machen schon ein drittes. Es ist verrückt. Allerdings werden wir das in Kanada filmen.“

Habt ihr die anderen Videos denn in Locations in Hannover gedreht?

„Nein, wir waren in Ostdeutschland. Dort war ein sehr gefährlicher und alter Ort an dem wir gedreht haben. Es war alles Last Minute und wir hatten zunächst kein Konzept. Der Typ der die Videos gemacht hat, hat dann die Lyrics bekommen und mir zwei Konzepte vorgeschlagen. Ein Konzept war richtig gut, das andere war Schrott und er hat es überarbeitet. Ein Video wird zu WACKEN erscheinen und das zweite kommt dann zum Erscheinungstermin des Albums raus.

http://www.youtube.com/watch?v=BDDdAugQZxs

Die Videos laufen dann vermutlich auch auf eurem YouTube Kanal. Gibt es denn in Kanada noch Musikfernsehen?

„Ja, gibt es, aber nur für die alten Leute.“

Dabei habe ich gelesen, dass ihr von VH1 zu den 10 wichtigsten Thrash Metal Bands erklärt wurdet.

„Ja, „Alice In Hell“ wurde zu den 10 wichtigsten Thrash Alben gewählt. Aber es ist seltsam. In den USA gibt es diese ganzen Dinge wie MTV, VH1 oder das Hard Rock Cafe, aber wenn man sich ansieht was aus MTV usw. geworden ist, dann weiß man auch, was solch ein Ranking bedeutet. Es ist natürlich gute Presse und man kann es sich auf die Facebook Seite packen, aber letztlich wissen die meisten Leute doch gar nichts mit einer solchen Top 10 Liste anzufangen. Ich meine, was ist z.B. mit „Bonded By Blood“ von EXODUS oder den etwa 50 anderen Thrash Klassikern, die in der Liste fehlen. Aber es ist natürlich schön in einer solchen Liste zu sein.“

Und wahrscheinlich wissen die VH1 Leute auch nicht, dass ihr noch immer Scheibe veröffentlicht.

„Ja, vielleicht kennen sie noch ein oder zwei andere Alben. Das Lustige ist, dass unsere beste Platte eigentlich das „Never, Neverland“ Album war.“

Vielen Dank. Genau meine Meinung. Immerhin gehört „Never, Neverland“ zu meinen All-Time Favorites.

„Es gibt unterschiedliche Meinungen in unterschiedlichen Ländern. In Japan sagen sie, dass „King of the Kill“ und „Set The World On Fire“ die besten Alben sein, in Italien ist es „Set The World On Fire“ und in Deutschland ist es entweder “Alice In Hell” oder “Never, Neverland”. Mit jeder neuen CD scheine ich Fans zu verlieren und gewinne neue dazu. Wenn dann die nächste Scheibe erscheint kommen die alten Fans wieder zurück und die neuen Fans mögen das Album nicht. Aber wenn ich immer dasselbe Line Up und denselben Stil gehabt hätte, würde es ANNIHILATOR wohl heute nicht mehr geben, denn ich wäre nicht in der Lage gewesen das zu tun was AC/DC oder SLAYER tun. Wir wären spätestens 1994 mit der Band fertig gewesen!“

Als ich von dem Sängerwechsel erfahren habe, habe ich mich mal wieder gefragt wie denn die Chancen stünden Coburn Pharr als Sänger zurück zu holen.

Wir haben Coburn im Januar getroffen, als er auf der 70000 Tons Of Metal Tour einige „Never, Neverland“ Songs mit uns gesungen hat. „Never, Neverland“ war unser größter Verkaufshit und es ist meine Lieblingsplatte. Außerdem war es auch die beste Scheibe was das Drumming angeht. Damals haben Ray Hartmann (Drummer) und ich ohne die ganzen technischen Hilfsmittel eingespielt. Man konnte nicht alles immer anhalten und dann einfach per copy and paste vervollständigen. Damals fing das Band an zu laufen und Ray und ich haben unsere Instrumente eingespielt. Ich habe niemals wieder so gespielt. Ich könnte es physisch nicht mehr tun. Damals war es das Resultat von zehn Jahren hartem Training, wenn man täglich etwa fünf Stunden Gitarre übt. Damals habe ich nicht nur Rhandy Rhodes oder SLAYER gejamt, sondern wirklich gelernt wie Gary Holt, Kerry King oder James Hedfield picken oder wie Angus Young seine Bluesskalen spielt. Wenn man nicht Eddie VanHalen ist, der mit dieser Gabe geboren wurde, muss man sich diese Skills hart erarbeiten. Ich kann zwar ein Level halten, aber ich habe seit langer Zeit nicht viele neue Sachen gelernt. Ich habe seit 1996 eigentlich nicht mehr wirklich Gitarre geübt, sondern ich mache mich warm, um für eine Tour oder ein Album fit zu sein. Ich höre aber kaum neue Bands usw. um neue Dinge zu lernen. Ich habe so viel gelernt, dass ich da wirklich einen Overload hatte.“

Lass uns nochmal kurz über Dave sprechen.

„Nun, seit einigen Jahren wusste ich, dass Dave nicht zu hundert Prozent bei der Sache war. Ich habe aber nichts gesagt, da ich nicht wollte, dass Dave aussteigt. Ich hatte gehofft, dass wir unsere Karriere bei ANNIHILATOR irgendwann gemeinsam beenden würden. Jetzt muss ich allerdings sagen – und ich hasse es, weil Dave so ein großartiger Sänger ist – dass Dave das neue Album wohl verdorben hätte, da er nicht mit der richtigen Einstellung an die Aufnahmen gegangen wäre.

Es ist auch immer gleich: Die Leute sagen, dass sie Padden anfangs nicht mochten, aber dass er nach einiger Zeit gut zu ANNIHILATOR passte. Er war großartig auf der Bühne weil er singen und Gitarre spielen konnte, aber er hatte nie besonders viel Gefühl auf der Bühne. Ich wusste das und Dave hat einfach irgendwann das Interesse verloren.“

Ich glaube ich habe euch das erste Mal mit Dave beim Rock Harz Festival gesehen. Damals fand das Festival noch im Freibad in Osterode statt.

„Oh ja, das war doch das Festival mit der pinken deutsche Band als Headliner…“

J.B.O.?

„Ja, genau. Das war die erste Show mit Dave und dann kam das Bang Your Head.“

Ich fand nie, dass Dave ein besonderes toller Performer war. Aber später holte er dann seine Gitarre raus und ich sah euch in Wacken usw. und man hatte sich langsam an Dave gewöhnt.

„Ja, so ging es den meisten Leuten. Er passte vielleicht nicht perfekt zur Band, aber er war doch gut genug. Die Leute merkten, dass er Waters Gitarrenriffs spielen und dazu singen konnte und er erarbeite sich viel Respekt über die Jahre.“

Weißt du noch wie du dich gefühlt hast als Dave dir die E-Mail geschrieben hat?

„Ich war in Panik. Mein Herz ist stehen geblieben. Ich habe die E-Mail mehrmals gelesen und konnte es nicht glauben. Es war ein sehr langer, guter Brief. Als ich den Text einige Male gelesen hatte, war mir klar, dass er es absolut ernst meinte. Ich dachte, dass er vielleicht Problem in der Familie hätte und er deshalb nicht mehr weitermachen will. Vielleicht hat es auch damit zu tun und er will es mir nicht sagen. Aber es ist auch egal, denn er hat seine Zeit in der Hölle verbracht. Nach einiger Zeit legte sich die Panik und ich wollte überleben. Gleichzeitig wurde ich auch etwas depressiv, denn ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Wie sollte ich jemanden finden, der gleichzeitig singen und Gitarre spielen könnte? Ich müsste also einen Sänger und einen Gitarristen suchen. Oh nein, nicht schon wieder.“

Hast du dann auch ans Aufgeben gedacht?

„Nein, ich habe nicht wirklich ans Aufgeben gedacht. Es war eher die Frage ob ich auch wirklich weitermachen könnte. Habe ich wirklich eine Wahl oder ist es tatsächlich das Ende von ANNIHILATOR? Ich bin durch alle möglichen Stimmungen gegangen: Shock, Panik, Angst, Depression. Ich bin nur noch durch das Haus getaumelt und wusste nicht, was ich tun sollte. Drei Wochen später habe ich dann angefangen Sänger zu suchen. Ich hatte das Album für Dave bereits als Demo vorliegen, allerdings hat er es nie gehört. Ich wusste wie es gesungen werden sollte, war aber nicht gut genug. Ich habe also nach Sängern und Gitarristen gesucht. Meine Freunde um mich herum sagten gleich: Du weißt was die Antwort ist! Wird wieder fitter und mach es selber. Und ich dachte dann, dass ich die Sache in die Hand nehmen muss. Ich wusste, dass es ein gutes Album ist und dann kann man nur noch hoffen, dass die Leute es auch mögen werden.“

In diesem Moment kam Jay zu uns, um ein bisschen an die Zeit zu erinnern. Also, Themenwechsel: Du hattest mal eine Gitarre von einem polnischen Gitarrenbauer (http://ranguitars.com/artists/annihilator). Jetzt bist du aber zu Epiphone zurückgekehrt. Allerdings scheinst du auch ordentlich auszumisten, denn einige deine Klampfen stehen bei Ebay zum Verkauf.

„Ich glaube nicht, dass ich noch eine der RAN Gitarren habe. Ich habe einige für Verlosungen gegeben und einige verkauft. Wenn man einen neuen Endorserdeal bekommt, dann geben die einem einen Haufen Gitarren. Ich habe eine große Gitarrensammlung. Die Ran Gitarren waren echte Metalmonster mit scharfen Kanten. Man hätte mit den spitzen Kanten Leute töten können.

Ich hatte für einige Zeit keinen Partner, aber dann waren Gibson interessiert. Sie wollten eine Signituregitarre machen. Gibson ist aber sehr teuer und sie hätten nur einige Gitarren gebaut die sich die Kids draußen nicht hätten leisten können. Ich traf mich also mit Jimmy dem Präsidenten von Epiphone. Wir wollten eine Gitarre machen, die ein perfektes Preis-Leistungsverhältnis haben würde. Es sollte eine bezahlbare Gitarre mit brauchbarer Ausstattung werden. Schließlich einigten wir uns, dass Gibson Pick Ups in die Gitarre kommen sollten und weniger Gewinn gemacht werden würde. Das stellte sich bald als richtige Entscheidung heraus, da die Gitarren bald ausverkauft waren. Nun soll es die „Annihilation II“ geben, was ein großartiger Name ist. (https://www.facebook.com/annihilationv) Sie wird noch etwa 100 Euros günstiger sein, dafür aber trotzdem mit besserer Qualität. Wir haben sehr hart daran gearbeitet. Die Firma wird daran verdienen, was okay ist. Trotzdem gibt es eine Gitarre, die die Leute bezahlen können und die ich selber auch auf der Bühne spielen würde. Es ist also kein Schrott. Ich bekomme von den Verkäufen etwa 30% und je mehr Gitarren wir verkaufen, desto mehr Geld verdiene ich daran. es ist also ein guter Deal für alle Beteiligten.“

Gut. Dann habe ich nur noch eine Frage. Diese Frage beschäftigt mich seit den „Never, Neverland“ Tagen. Damals habe ich das Shirt zur Scheibe gekauft. Obwohl es Größe XL war, konnte ich es immer nur als Bauchfrei-Shirt tragen. 25 Jahre später kaufte ich die Neuauflage als T-Shirt und Kapu. Same story, wieder sind die Teile total klein ausgefallen. Hast du da deine Finger im Spiel? Probierst du die Shirts an oder warum fallen die immer so klein aus?

„Hmm. Die Antwort kenne ich auch nicht, denn es gibt mindestens zwei oder drei Firmen die die Shirts produziert haben. Ich nehme an, dass es einfach Pech war. Wir werden allerdings jetzt Shirts für die Tour machen. Ich werde mir Shirts schicken lassen und sie in Large anprobieren. Wenn sie an meinem Bierbauch spannen, dann haben wir ein Problem. Vielleicht machen sie die Shirts für jüngere Leute, die noch athletischer gebaut sind. Ich werde jedenfalls versuchen darauf zu achten.

Ich bin gespannt. Auch wenn die Shirts bei mir nicht spannten, sondern einfach nur zu kurz sind. So oder so freuen wir uns aber auf den September, denn dann gibt es endlich das komplete „Suicide Society“ Album im Handel.


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Infos

  • Erstellt am

    06. August 2015
  • Line Up

  • Redakteur

    Thorsten Zwingelberg
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