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Unzucht - Chaosmagie

| Sven Niemeyer | Musik Reviews

Das soll jetzt aber nicht heißen, dass die CD damit für die treuen Fans höchstens als Sammelobjekt dienen kann, weil ja nur „alter Kram“ auf der Platte ist, denn die Unzucht wäre nicht Unzucht, wenn sie sich nicht etwas besonderes einfallen lassen würden.

Sieben Klassiker wurden für den ersten Dreher überarbeitet und neu eingespielt und strahlen in neuem Glanz. „Unzucht“, „Engel der Vernichtung“ und „Kleine geile Nonne“ haben auf dem Weg mehr Punch spendiert bekommen. „Nur die Ewigkeit“ und „Deine Zeit läuft ab“ verlieren nichts vom Charme der Ursprungsversion, hören sich aber unglaublich frisch an.
Die zwei komplett neu für das Album aufgenommenen Singles auf „Chaosmagie“ sind „Am Ende der Farben“ und „Wo die Stimmen schweigen“. Beide Songs verbindet aufgrund der Platzierung hintereinander auf der CD eine gewisse, aufeinander aufbauende Dramaturgie in der Musik und im Text. „Am Ende der Farben“ ist schwer und melancholisch. Der Schulz singt von Einsamkeit, verlorenen Tagen und Verlust. Auch „Wo die Stimmen schweigen“ handelt von Einsamkeit, obwohl tausend Stimmen einen umgeben, die einen erdrücken. Aber es gibt jemanden, der einem die Hand reicht und ans Ufer zieht. Trotz (oder wegen) der versierten Shouts von De Clercq ist die Single positiv und hoffnungsvoll. Beide Tracks vereint am Ende das, was Unzucht ausmacht, nämlich erstklassiges Songwriting und tiefgründige Texte. Sollte die Unzucht nach zwei Dekaden ein weiteres Best Of veröffentlichen, bin ich sicher, das „Wo die Stimmen schweigen“ einen Platz sicher hat.
Ebenfalls neu aufgenommen und aufgefrischt wurden „Unendlich“ und „Schweigen“. Neben dem Feintuning in den beiden Tracks legt Der Schulz noch ein gutes Stück zusätzliche Emotionalität in den Gesang, was beiden Singles unglaublich gut tut.

„Nela“, „Du fehlst“, „Nein“, „Jenseits der Welt“, „Während wir uns verliern“ in der Akustik Version, „Der letzte Tanz“ als Tango Remix von Manuel Antoni undundund, die Liste an Hits und Klassikern von Unzucht ist lang. 30 Songs umfasst die Doppel CD inklusiver aller neuen Songs, Neuaufnahmen, Remixen und Originalen. In der Limited Edition ist die Scheibe sogar 34 Lieder stark. Und beim Durchlauf fällt einem auf, was Unzucht in einer Dekade für tolle Songs geschaffen hat. Lieder,die mit ihren Melodien und durch die einzigartige Stimme von Der Schulz sofort ins Ohr gehen. Lieder, die einen berühren, die ans Herz gehen, zum Nachdenken bringen oder die Mut machen, die fast immer tiefgründig sind, aber niemals peinlich oder mit hohlen Phrasen versehen. Damit besetzen Unzucht einen besonderen Platz in ihrem Genre, da sie zeigen, das deutschsprachiger Dark Rock oder Goth Rock eben nicht die immergleichen Themen oder Schüttelreime aus der Hölle beinhalten muss. Das es auch in unpeinlich geht. Das man nicht jammern muss, sondern das man auch mit krachenden Gitarren berühren kann.

„Chaosmagie“ ist nun die Essenz aus sechs Alben und vier EPs, und tatsächlich würde ich jeden einzelnen Song jemanden empfehlen, der in die Welt von Unzucht eintauchen möchte, aber bisher noch keine Berührung hatte. Das ich dabei manchmal lieber auf das „Original“ und nicht auf den auf dieser CD befindlichen Remix zurückgreifen würde, liegt eher an meiner musikalischen Präferenz und nicht an den Songs. Die sind über jeden Zweifel erhaben.
Für Fans ist „Chaosmagie“ Pflicht, für Menschen, die aus mir unerfindlichen Gründen noch kein Fan sind, ist jetzt ein perfekter Zeitpunkt zum Einsteigen.