"Wir waren halt auch immer eher die melancholisch nachdenklichen Typen, und da konnte uns deswegen diese Musik stärker beeinflussen aus UK oder Skandinavien..."
Interview mit Nailed To Obscurity mit Raimund Ennenga (Voc)
Wir erwischen Nailed To Obscurity mitten in den Urlaubsvorbereitungen, sozusagen noch einmal Kraft tanken, bevor es dann mit neuem Album auf die allererste Headliner-Tour geht. Sänger Raimund ist schon fertig mit packen und hat Zeit für uns, die Fragen zu beantworten, die uns auf der Seele brennen.
Hallo Raimund, vielen Dank für deine Zeit! Am 05.09. erscheint das neue Album „Generation Of The Void“, was erwartet die Fans?
Auf jeden Fall ein neues Album nach viel zu langer Zeit.Es erwartet sie viel neues, „Generation Of The Void“ ist auf jeden Fall das dynamischste Album von uns bis jetzt. Wir haben ein paar neue Einflüsse zugelassen, ich glaube man hört sofort raus, welche Band das ist, und trotzdem denke ich, dass es ein frischer Ansatz ist. Nicht nur die Produktion, die sich ästhetisch ein bisschen verändert hat, sonder auch kompositorisch haben wir uns ne Menge getraut. Von außen kann ich bestätigen, ja, wir haben uns ganz schön viel Zeit gelassen, aber das habe ich ja eingangs schon gesagt.
Ich habe mal ein wenig in den Kalender geschaut: 2019 Black Frost, Liquid Mourning im Januar 2022, dann Clouded Frame, Overcast und nun unlängst Spirit Corrosion. War der Songwriting-Prozess diesmal so kompliziert, habt ihr in Etappen aufgenommen? Und wie sichert man über so lange Zeit einen homogenen Sound auf dem Album?
Da hast du ne ganze Menge Töpfe aufgemacht. Du hast das schon richtig gedeutet, natürlich war das so nicht geplant. Ein Grund ist natürlich, dass man zwei Jahre unter der Corona-Kuppel hatte. Also besonders stark meine ich, es ist ja 2022 erst sukzessive alles aufgeweicht worden. Der Plan war eigentlich, nach der Veröffentlichung von Black Frost 2019 und der Tour 2020 hart ins Songwriting zu gehen und dann nachzulegen. Bei uns passiert noch sehr sehr viel vom Songwriting im Proberaum. Natürlich kommen Volker und Jan-Ole mit fertigen Riffs oder Riffideen an, aber da wurde vom Arrangement sehr viel im Kollektiv gemacht und wieder mit nach Hause genommen, wie so ein PingPong-Spiel. Wir sind Ende Februar nach Hause gekommen, und eine Woche später kam Lockdown 1. Und dadurch, dass wir lange Zeit nicht zusammen in den Proberaum kommen konnten, mussten wir uns erstmal einfallen lassen, wie wir das jetzt angehen. Wir wollten eine Veränderung, wir wollten einen größeren stilistischen Schritt machen als den zwischen King Dellusion und Black Frost, und wir wussten auch, dass das ein komplexerer Prozess werden würde, weil wir dafür viel lernen mussten und uns ein bisschen auf ein Abenteuer einlassen, und wir hatten das Problem, dass wir einfach nicht zusammen kommen durften faktisch. Also mussten wir erst einmal herausfinden, wie wir denn per Remote Songwriting machen können, das hat ne Weile gedauert, bis da überhaupt was passiert ist, also haben wir streng genommen 2020 kompositorisch komplett verloren. Es gab, Ideen, Ansätze, Experimente, aber wirklich viel passiert ist halt nicht, hauptsächlich in den Köpfen. Dann hatten wir den Ansatz, wir bringen 2021 2-3 Singles raus, damit wir nicht so ewig auf uns warten lassen müssen. Diese 2-3 Singles entstanden dann aber erst in 2021, wir hatten uns ein neues Studio-Setup überlegt, das wir dann auch durchsetzen wollten.
Wir haben instrumental wieder mit Viktor Santura gearbeitet, Vocals und Mix-Master wollten wir bei Jacob Hansen ausprobieren. Dadurch hat sich das mit Re-Sceduling aufgrund der Pandemiesituation immer weiter herausgezögert, und so kam es dazu, dass wir erst zum Jahresende 2021 die Singles aufgenommen hatten. Mit Liquid Mourning hatten wir dann das erste Vehikel für die US-Tour, Clouded Frame hatten wir in der Hinterhand für vielleicht eine weitere Tour, und wir wollten dann in dem Jahr auch ein bisschen kompositorisch aktiv werden. Und dann: Reality-Check! Ne Band, die das alles nebenberuflich macht, haben wir zwar immer ein paar Monate genommen, um zu komponieren, aber immer neben der Arbeit, wir waren 2022 ja auch viel unterwegs, das war unser Tour-stärkstes Jahr bisher, wir waren 7-8 Wochen in den USA, 2 Wochen in Europa und zum Jahresende dann nochmal 5-6 Wochen in Europa, und das wie gesagt dann alles nebenberuflich ist ein bisschen schwierig gewesen. Also haben wir dann die Reißleine gezogen und gesagt, wir schreiben 2023 das Album zu Ende, die Leute kennen zwei Songs und denken, jetzt kommt endlich die Album-Preview, aber da kam nichts. Es gab zwar schon irgendwie Instrumentalideen, es gab grobe Ideen, und wir hatten die relativ klare Entscheidung getroffen, mehr Cleangesang „zuzulassen“, und so mussten wir da auch erstmal lernen, wie man das macht, also den Schwerpunkt von der Melodieführung von den Gitarren auf den Gesang übertragen, wie funktioniert meine Stimme (ich habe 2021 erst begonnen, mit einem Vocalcoach an meinem Cleangesang zu arbeiten), ich musste die aktuelle „Qualität“ erstmal ausarbeiten und meine Rolle als Sänger neu positionieren. Verändertes Songwriting, verändertes Songwriting überhaupt (Stichwort Pandemie), und dann die Frage: Wo ist als Sänger meine Comfort Zone? Was für Melodien funktionieren überhaupt für Nailed To Obscurity, die in Ihrer DNA ja mal als doomige Deathmetal-Band gestartet haben und immer melodischer geworden sind. Das war ein spannender, aber offenkundig auch ein sehr langer Prozess. Was dann noch kam war, dass, als das Album fertig war, wir die erste Umbesetzung seit meinem Beitritt bei Nailed To Obscurity hatten.
Das hat sich für uns im Nachhinein als Mega-Situation ergeben. Carsten (der ehemalige Bassist) ist nun unser Booker, ich sags mal so: Wenn es so eine Art Bilderbuch-Trennung gibt im positiven Sinne, dann war es die mit Carsten. Erstmal haben wir alle geflennt wie Schlosshunde inklusive ihm selbst, weil es für ihn kein leichter Schritt war, aber es war die Entscheidung, dass man sein Leben anders aufstellt als es bislang der Fall war, und da gehörte diese Trennung für ihn mit dazu, aber er hat gesagt „wenn ihr Bock habt, bin ich ab sofort euer Booker“, und Lutz, der für uns das Licht macht seit 2019 und den wir schon ewig kennen, hat sich dann als Bassist angeboten. Die beiden haben so eine Art Staffelübergabe gemacht, denn wir haben gesagt, es soll Carsten sogar recht sein, und das sollte nicht wie „über das Licht in die Band reingeschlichen“ wirken, und Carsten hat sofort gesagt in seiner coolen Art „also wenn ihr den nicht fragen würdet, wärt ihr ganz schön blöd, das ist der beste Musiker den ich kenne“. So haben wir im Prinzip nur ein bisschen Roulette gespielt. Aber die Umstellung hat dann doch noch ein wenig gedauert, bevor wir auf die Bühne gehen konnten, denn wir wollten live ja auch „brauchbar“ sein und unsere Präsenz ein bisschen aufleveln, und dann kam die Draconian Tour.
Hatte Lutz denn dann noch Einfluss auf das Songwriting, oder war das Album schon im Kasten?
Im Großen und Ganzen war alles im Kasten, aber wir haben viel Feinschliff betrieben, und so hatte er doch noch einen gewissen Anteil. Trotzdem wird er vermutlich kaum erwarten können, das nächste Album dann rauszubringen. (lacht)
Aber auch „Generation Of The Void“ fühlt sich richtig an, mit Lutz zu präsentieren, was auch immer das heißt.

Nächstes Thema: Eure anstehende Headlining-Tour durch Europa im September und November. Ich muss wohl nicht fragen, aber: Freut ihr euch drauf?
Klar, wir hatten in der Vergangenheit richtig tolle Support-Touren, aber wir haben gesagt, wenn wir nicht jetzt versuchen, eine Tour mit uns als Headliner zu „verkaufen“, hm, das ist ein häßliches Wort, „vermarkten“, ein anderes blödes Wort, aber du weißt was ich meine, „selbst zu tragen“ ist schöner, dann machen wir es nie. Und wir haben uns diese Gedanken bereits auf der Draconian-Tour gemacht. Das war ganz witzig, das erste Mal im Bus auf Tour, ohne dass Carsten dabei ist, und dann war er es in Gedanken doch, in seiner Funktion als Booker. Und wir haben zu ihm gesagt, einen Slot zum Ende des Jahres sollte möglich sein, sodass das Album bis dahin draußen ist, willst du mal versuchen zu schauen, was wir da machen können? Er hatte dann relativ schnell ne Idee mit Yoth Iria, und Oak Ash & Thorn kam dann relativ schnell über den gleichen Roster mit dazu. Und wir haben sofort gesagt, das ist ein cooles, böses, finsteres Package, und wir hatten während der Draconian-Tour den Großteil des Routings stehen, was mich natürlich freut, weil es ja auch zeigt, dass dieses Package auch interessant ist und angenommen wird. Deswegen konnten wir auch so früh schon in die Werbung gehen. Wir wussten, dass wir über das Jahr so eine kleine 20-Jahre-Kampagne fahren werden, wo wir so ein bisschen über die Band erzählen, dann haben wir das neue Album als Rampe, hoffen wir mal, dass viele Leute auf diese Tour aufmerksam werden und Bock drauf haben. Und: WIR haben Bock drauf, das war ja deine eigentliche Frage. Ich freue mich auch, dass wir eine Ostfriesland-Show mit reingenommen haben, das gehört für mich dazu. Wir kommen ja alle von da (auch wenn ich Emsländer bin, aber das ist nur ein 10-Minuten-Fahrradweg bis Ostfriesland, und wir hängen schon so lange zusammen), das ist eigentlich nur so ein Kindergarten-Kräftemessen, so zwischen Nachbardörfern...
Wo du gerade Ostfriesland sagst: Wo kommt denn eigentlich die Düsternis eurer Songs her? Wenn ich überlege, Meer, Deich, Schafe, und dann eure Musik? Da sollte man doch eigentlich meinen, dass das irgendwo aus England oder Skandinavien stammt...
Das ist ne gute Frage. Wir sind alle in der gleichen Szene unterwegs gewesen, und Gleichgesinnte finden sich dann auch immer zusammen. Wir sind in unserem Umfeld immer so eher die nachdenklichen Typen gewesen, und wir hatten da musikalisch die gleichen Wurzeln, die Bands auf die wir stehen sind dann auch alles eher so die nachdenklichen Bands, wir mochten alle Deathmteal und haben auch eher die Knüppelsachen gehört, ich meine, der Name Nailed To Obscurity kommt ja sogar von Hate Eternal, auch da hatten wir immer ne Schnittmenge, und ich kam ja von Burial Vault auch eher aus einer eher als Deathmetal-Band zu bezeichneten Nummer, aber wir waren halt auch immer eher die melancholisch nachdenklichen Typen, und da konnte uns deswegen diese Musik stärker beeinflussen aus UK oder Skandinavien. Das hat sich ja so auch schon immer gefunden bei dem Spiel von Ole und Volker, die beiden haben eine interessante Art der Kommunikation über die Musik, der eine spielt was im Proberaum, und der andere hat sofort was dazu passendes parat, das wirkt wie aus der Hüfte geschüttelt, und es ist dann halt immer dieses leicht melancholisch-nachdenkliche, was dabei raus kommt. Es hat sich nie einer hingesetzt und gesagt „wir müssen jetzt klingen wie“ oder irgend sowas. Das ist auch immer interessant, wenn Einflüsse fallen, die für den Zuhörer ganz offensichtlich erscheinen. Zum Beispiel wird Insomnium ganz häufig genannt, das ist ne Band, die haben wir im Laufe unserer Bandgeschichte erst richtig kennengelernt dadurch, also namentlich kannten wir die vorher natürlich, aber für uns entdeckt halt erst später. Wir müssten dann manchmal erst darüber nachdenken, ob das wirklich passt, bei anderen Sachen ist es natürlich deutlicher, wenn jetzt einer sagen würde Katatonia würden wir sagen „na ganz offensichtlich“, wenn jemand Opeth sagt, eher so „ja, das kann schon sein, wenn du meinst“.
Was macht ihr an euren DayOffs bei der Tour?
Diesmal haben wir ja keine DayOffs. Ansonsten arbeiten wir halt auch viel Remote, aber nach Feierabend ist es natürlich toll, auch zusammen Städte zu erkunden. Klar gibt es auch mal Fenster, wo jeder seiner Wege geht, aber die meiste Zeit hängen wir in Grüppchen oder alle zusammen. Wir sind so ein Haufen Kumpelinen, die aufeinander hängen, das ist ja nicht nur die Band, da hängen ja auch noch andere Leute mit dran, unser vormaliger Tonmann Heiko war immer dabei, jetzt ist es Hannes, der dazu gehört, vorher halt Lutz als Lichtmann, der das jetzt in DoubleDuty vor den Shows programmiert. Auf der letzten Tour waren wir zwei Tage in Paris, und ich sag mal so, es kann einen echt schlechter treffen, als diese Stadt zu erkunden. 2020 war ich immer erst mit unserem Busfahrer Markus joggen, und danach mit den Jungs unterwegs.
Nochmal was ganz anderes.Stell dir vor, du bist auf einer einsamen Insel gestrandet, dein Handy kann nur noch einen Song streamen, welcher ist es und warum?
Ein einziger Song? Puh, das ist jetzt mal richtig schwierig, denn ich habe gar nicht so „den einen“ ultimativen Song, der so über allen anderen steht. Ich will jetzt auch keinen Bullshit sagen, denn es gibt da ja jetzt kein richtig und kein falsch... (denkt nach) Wenn ich darauf antworten muss, ist das vielleicht ein etwas komischer Pick, aber ich denke gerade so an einen Song, zu dem ich irgendwie immer so zurückkehre, und dann sind wir bei Opeth, und es ist NICHT von Blackwater Park, sondern von Ghost Reveries, und es wäre der Song Revery. Das ist so ein Song den ich mir immer wieder irgendwie anhöre, ich weiß nicht, ob mir das reichen würde nur den Song zu haben, aber ich sag mal, wenn nur einer, dann der.
Keine schlechte Wahl. Okay, letzte Frage, vermutlich genauso tricky: Wenn es eine Frage gäbe, die ihr als Band euch schon immer in einem Interview gewünscht habt, die euch aber noch nie gestellt wurde, welche wäre das und wie lautet die Antwort?
Boaaaah, das ist aber auch echt, ich mein, wenn man ein neues Album hat dann macht man sich ja Gedanken, was man vermutlich gefragt wird, worauf man sich vorbereitet, und meistens kommen die Fragen auch, aber... Was sind wir denn noch nie gefragt worden? Das ist echt ganz schön schwierig. Also in der Regel, das ist so ein Standard von MIR, keine Ahnung ob das jetzt der Wunsch ist in einem Interview, würde ich fragen „Was ist deine Schuhgröße?“, und die Antwort ist 48 ½, das stimmt auch, ich habe echt so große Füße! Das könnte endlich mal in einem Interview ganz offiziell geklärt werden. (lacht)
Vielen Dank für das Interview, du musst Koffer packen, ganz liebe Grüße an den Rest, wenn es soweit ist ganz viel Spaß auf der Tour, und viel Erfolg mit dem neuen Album.
Richte ich gerne aus, und vielen Dank, hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Hallo Raimund, vielen Dank für deine Zeit! Am 05.09. erscheint das neue Album „Generation Of The Void“, was erwartet die Fans?
Auf jeden Fall ein neues Album nach viel zu langer Zeit.Es erwartet sie viel neues, „Generation Of The Void“ ist auf jeden Fall das dynamischste Album von uns bis jetzt. Wir haben ein paar neue Einflüsse zugelassen, ich glaube man hört sofort raus, welche Band das ist, und trotzdem denke ich, dass es ein frischer Ansatz ist. Nicht nur die Produktion, die sich ästhetisch ein bisschen verändert hat, sonder auch kompositorisch haben wir uns ne Menge getraut. Von außen kann ich bestätigen, ja, wir haben uns ganz schön viel Zeit gelassen, aber das habe ich ja eingangs schon gesagt.
Ich habe mal ein wenig in den Kalender geschaut: 2019 Black Frost, Liquid Mourning im Januar 2022, dann Clouded Frame, Overcast und nun unlängst Spirit Corrosion. War der Songwriting-Prozess diesmal so kompliziert, habt ihr in Etappen aufgenommen? Und wie sichert man über so lange Zeit einen homogenen Sound auf dem Album?
Da hast du ne ganze Menge Töpfe aufgemacht. Du hast das schon richtig gedeutet, natürlich war das so nicht geplant. Ein Grund ist natürlich, dass man zwei Jahre unter der Corona-Kuppel hatte. Also besonders stark meine ich, es ist ja 2022 erst sukzessive alles aufgeweicht worden. Der Plan war eigentlich, nach der Veröffentlichung von Black Frost 2019 und der Tour 2020 hart ins Songwriting zu gehen und dann nachzulegen. Bei uns passiert noch sehr sehr viel vom Songwriting im Proberaum. Natürlich kommen Volker und Jan-Ole mit fertigen Riffs oder Riffideen an, aber da wurde vom Arrangement sehr viel im Kollektiv gemacht und wieder mit nach Hause genommen, wie so ein PingPong-Spiel. Wir sind Ende Februar nach Hause gekommen, und eine Woche später kam Lockdown 1. Und dadurch, dass wir lange Zeit nicht zusammen in den Proberaum kommen konnten, mussten wir uns erstmal einfallen lassen, wie wir das jetzt angehen. Wir wollten eine Veränderung, wir wollten einen größeren stilistischen Schritt machen als den zwischen King Dellusion und Black Frost, und wir wussten auch, dass das ein komplexerer Prozess werden würde, weil wir dafür viel lernen mussten und uns ein bisschen auf ein Abenteuer einlassen, und wir hatten das Problem, dass wir einfach nicht zusammen kommen durften faktisch. Also mussten wir erst einmal herausfinden, wie wir denn per Remote Songwriting machen können, das hat ne Weile gedauert, bis da überhaupt was passiert ist, also haben wir streng genommen 2020 kompositorisch komplett verloren. Es gab, Ideen, Ansätze, Experimente, aber wirklich viel passiert ist halt nicht, hauptsächlich in den Köpfen. Dann hatten wir den Ansatz, wir bringen 2021 2-3 Singles raus, damit wir nicht so ewig auf uns warten lassen müssen. Diese 2-3 Singles entstanden dann aber erst in 2021, wir hatten uns ein neues Studio-Setup überlegt, das wir dann auch durchsetzen wollten.
Wir haben instrumental wieder mit Viktor Santura gearbeitet, Vocals und Mix-Master wollten wir bei Jacob Hansen ausprobieren. Dadurch hat sich das mit Re-Sceduling aufgrund der Pandemiesituation immer weiter herausgezögert, und so kam es dazu, dass wir erst zum Jahresende 2021 die Singles aufgenommen hatten. Mit Liquid Mourning hatten wir dann das erste Vehikel für die US-Tour, Clouded Frame hatten wir in der Hinterhand für vielleicht eine weitere Tour, und wir wollten dann in dem Jahr auch ein bisschen kompositorisch aktiv werden. Und dann: Reality-Check! Ne Band, die das alles nebenberuflich macht, haben wir zwar immer ein paar Monate genommen, um zu komponieren, aber immer neben der Arbeit, wir waren 2022 ja auch viel unterwegs, das war unser Tour-stärkstes Jahr bisher, wir waren 7-8 Wochen in den USA, 2 Wochen in Europa und zum Jahresende dann nochmal 5-6 Wochen in Europa, und das wie gesagt dann alles nebenberuflich ist ein bisschen schwierig gewesen. Also haben wir dann die Reißleine gezogen und gesagt, wir schreiben 2023 das Album zu Ende, die Leute kennen zwei Songs und denken, jetzt kommt endlich die Album-Preview, aber da kam nichts. Es gab zwar schon irgendwie Instrumentalideen, es gab grobe Ideen, und wir hatten die relativ klare Entscheidung getroffen, mehr Cleangesang „zuzulassen“, und so mussten wir da auch erstmal lernen, wie man das macht, also den Schwerpunkt von der Melodieführung von den Gitarren auf den Gesang übertragen, wie funktioniert meine Stimme (ich habe 2021 erst begonnen, mit einem Vocalcoach an meinem Cleangesang zu arbeiten), ich musste die aktuelle „Qualität“ erstmal ausarbeiten und meine Rolle als Sänger neu positionieren. Verändertes Songwriting, verändertes Songwriting überhaupt (Stichwort Pandemie), und dann die Frage: Wo ist als Sänger meine Comfort Zone? Was für Melodien funktionieren überhaupt für Nailed To Obscurity, die in Ihrer DNA ja mal als doomige Deathmetal-Band gestartet haben und immer melodischer geworden sind. Das war ein spannender, aber offenkundig auch ein sehr langer Prozess. Was dann noch kam war, dass, als das Album fertig war, wir die erste Umbesetzung seit meinem Beitritt bei Nailed To Obscurity hatten.
Das hat sich für uns im Nachhinein als Mega-Situation ergeben. Carsten (der ehemalige Bassist) ist nun unser Booker, ich sags mal so: Wenn es so eine Art Bilderbuch-Trennung gibt im positiven Sinne, dann war es die mit Carsten. Erstmal haben wir alle geflennt wie Schlosshunde inklusive ihm selbst, weil es für ihn kein leichter Schritt war, aber es war die Entscheidung, dass man sein Leben anders aufstellt als es bislang der Fall war, und da gehörte diese Trennung für ihn mit dazu, aber er hat gesagt „wenn ihr Bock habt, bin ich ab sofort euer Booker“, und Lutz, der für uns das Licht macht seit 2019 und den wir schon ewig kennen, hat sich dann als Bassist angeboten. Die beiden haben so eine Art Staffelübergabe gemacht, denn wir haben gesagt, es soll Carsten sogar recht sein, und das sollte nicht wie „über das Licht in die Band reingeschlichen“ wirken, und Carsten hat sofort gesagt in seiner coolen Art „also wenn ihr den nicht fragen würdet, wärt ihr ganz schön blöd, das ist der beste Musiker den ich kenne“. So haben wir im Prinzip nur ein bisschen Roulette gespielt. Aber die Umstellung hat dann doch noch ein wenig gedauert, bevor wir auf die Bühne gehen konnten, denn wir wollten live ja auch „brauchbar“ sein und unsere Präsenz ein bisschen aufleveln, und dann kam die Draconian Tour.
Hatte Lutz denn dann noch Einfluss auf das Songwriting, oder war das Album schon im Kasten?
Im Großen und Ganzen war alles im Kasten, aber wir haben viel Feinschliff betrieben, und so hatte er doch noch einen gewissen Anteil. Trotzdem wird er vermutlich kaum erwarten können, das nächste Album dann rauszubringen. (lacht)
Aber auch „Generation Of The Void“ fühlt sich richtig an, mit Lutz zu präsentieren, was auch immer das heißt.

Nächstes Thema: Eure anstehende Headlining-Tour durch Europa im September und November. Ich muss wohl nicht fragen, aber: Freut ihr euch drauf?
Klar, wir hatten in der Vergangenheit richtig tolle Support-Touren, aber wir haben gesagt, wenn wir nicht jetzt versuchen, eine Tour mit uns als Headliner zu „verkaufen“, hm, das ist ein häßliches Wort, „vermarkten“, ein anderes blödes Wort, aber du weißt was ich meine, „selbst zu tragen“ ist schöner, dann machen wir es nie. Und wir haben uns diese Gedanken bereits auf der Draconian-Tour gemacht. Das war ganz witzig, das erste Mal im Bus auf Tour, ohne dass Carsten dabei ist, und dann war er es in Gedanken doch, in seiner Funktion als Booker. Und wir haben zu ihm gesagt, einen Slot zum Ende des Jahres sollte möglich sein, sodass das Album bis dahin draußen ist, willst du mal versuchen zu schauen, was wir da machen können? Er hatte dann relativ schnell ne Idee mit Yoth Iria, und Oak Ash & Thorn kam dann relativ schnell über den gleichen Roster mit dazu. Und wir haben sofort gesagt, das ist ein cooles, böses, finsteres Package, und wir hatten während der Draconian-Tour den Großteil des Routings stehen, was mich natürlich freut, weil es ja auch zeigt, dass dieses Package auch interessant ist und angenommen wird. Deswegen konnten wir auch so früh schon in die Werbung gehen. Wir wussten, dass wir über das Jahr so eine kleine 20-Jahre-Kampagne fahren werden, wo wir so ein bisschen über die Band erzählen, dann haben wir das neue Album als Rampe, hoffen wir mal, dass viele Leute auf diese Tour aufmerksam werden und Bock drauf haben. Und: WIR haben Bock drauf, das war ja deine eigentliche Frage. Ich freue mich auch, dass wir eine Ostfriesland-Show mit reingenommen haben, das gehört für mich dazu. Wir kommen ja alle von da (auch wenn ich Emsländer bin, aber das ist nur ein 10-Minuten-Fahrradweg bis Ostfriesland, und wir hängen schon so lange zusammen), das ist eigentlich nur so ein Kindergarten-Kräftemessen, so zwischen Nachbardörfern...
Wo du gerade Ostfriesland sagst: Wo kommt denn eigentlich die Düsternis eurer Songs her? Wenn ich überlege, Meer, Deich, Schafe, und dann eure Musik? Da sollte man doch eigentlich meinen, dass das irgendwo aus England oder Skandinavien stammt...
Das ist ne gute Frage. Wir sind alle in der gleichen Szene unterwegs gewesen, und Gleichgesinnte finden sich dann auch immer zusammen. Wir sind in unserem Umfeld immer so eher die nachdenklichen Typen gewesen, und wir hatten da musikalisch die gleichen Wurzeln, die Bands auf die wir stehen sind dann auch alles eher so die nachdenklichen Bands, wir mochten alle Deathmteal und haben auch eher die Knüppelsachen gehört, ich meine, der Name Nailed To Obscurity kommt ja sogar von Hate Eternal, auch da hatten wir immer ne Schnittmenge, und ich kam ja von Burial Vault auch eher aus einer eher als Deathmetal-Band zu bezeichneten Nummer, aber wir waren halt auch immer eher die melancholisch nachdenklichen Typen, und da konnte uns deswegen diese Musik stärker beeinflussen aus UK oder Skandinavien. Das hat sich ja so auch schon immer gefunden bei dem Spiel von Ole und Volker, die beiden haben eine interessante Art der Kommunikation über die Musik, der eine spielt was im Proberaum, und der andere hat sofort was dazu passendes parat, das wirkt wie aus der Hüfte geschüttelt, und es ist dann halt immer dieses leicht melancholisch-nachdenkliche, was dabei raus kommt. Es hat sich nie einer hingesetzt und gesagt „wir müssen jetzt klingen wie“ oder irgend sowas. Das ist auch immer interessant, wenn Einflüsse fallen, die für den Zuhörer ganz offensichtlich erscheinen. Zum Beispiel wird Insomnium ganz häufig genannt, das ist ne Band, die haben wir im Laufe unserer Bandgeschichte erst richtig kennengelernt dadurch, also namentlich kannten wir die vorher natürlich, aber für uns entdeckt halt erst später. Wir müssten dann manchmal erst darüber nachdenken, ob das wirklich passt, bei anderen Sachen ist es natürlich deutlicher, wenn jetzt einer sagen würde Katatonia würden wir sagen „na ganz offensichtlich“, wenn jemand Opeth sagt, eher so „ja, das kann schon sein, wenn du meinst“.
Was macht ihr an euren DayOffs bei der Tour?
Diesmal haben wir ja keine DayOffs. Ansonsten arbeiten wir halt auch viel Remote, aber nach Feierabend ist es natürlich toll, auch zusammen Städte zu erkunden. Klar gibt es auch mal Fenster, wo jeder seiner Wege geht, aber die meiste Zeit hängen wir in Grüppchen oder alle zusammen. Wir sind so ein Haufen Kumpelinen, die aufeinander hängen, das ist ja nicht nur die Band, da hängen ja auch noch andere Leute mit dran, unser vormaliger Tonmann Heiko war immer dabei, jetzt ist es Hannes, der dazu gehört, vorher halt Lutz als Lichtmann, der das jetzt in DoubleDuty vor den Shows programmiert. Auf der letzten Tour waren wir zwei Tage in Paris, und ich sag mal so, es kann einen echt schlechter treffen, als diese Stadt zu erkunden. 2020 war ich immer erst mit unserem Busfahrer Markus joggen, und danach mit den Jungs unterwegs.
Nochmal was ganz anderes.Stell dir vor, du bist auf einer einsamen Insel gestrandet, dein Handy kann nur noch einen Song streamen, welcher ist es und warum?
Ein einziger Song? Puh, das ist jetzt mal richtig schwierig, denn ich habe gar nicht so „den einen“ ultimativen Song, der so über allen anderen steht. Ich will jetzt auch keinen Bullshit sagen, denn es gibt da ja jetzt kein richtig und kein falsch... (denkt nach) Wenn ich darauf antworten muss, ist das vielleicht ein etwas komischer Pick, aber ich denke gerade so an einen Song, zu dem ich irgendwie immer so zurückkehre, und dann sind wir bei Opeth, und es ist NICHT von Blackwater Park, sondern von Ghost Reveries, und es wäre der Song Revery. Das ist so ein Song den ich mir immer wieder irgendwie anhöre, ich weiß nicht, ob mir das reichen würde nur den Song zu haben, aber ich sag mal, wenn nur einer, dann der.
Keine schlechte Wahl. Okay, letzte Frage, vermutlich genauso tricky: Wenn es eine Frage gäbe, die ihr als Band euch schon immer in einem Interview gewünscht habt, die euch aber noch nie gestellt wurde, welche wäre das und wie lautet die Antwort?
Boaaaah, das ist aber auch echt, ich mein, wenn man ein neues Album hat dann macht man sich ja Gedanken, was man vermutlich gefragt wird, worauf man sich vorbereitet, und meistens kommen die Fragen auch, aber... Was sind wir denn noch nie gefragt worden? Das ist echt ganz schön schwierig. Also in der Regel, das ist so ein Standard von MIR, keine Ahnung ob das jetzt der Wunsch ist in einem Interview, würde ich fragen „Was ist deine Schuhgröße?“, und die Antwort ist 48 ½, das stimmt auch, ich habe echt so große Füße! Das könnte endlich mal in einem Interview ganz offiziell geklärt werden. (lacht)
Vielen Dank für das Interview, du musst Koffer packen, ganz liebe Grüße an den Rest, wenn es soweit ist ganz viel Spaß auf der Tour, und viel Erfolg mit dem neuen Album.
Richte ich gerne aus, und vielen Dank, hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Line Up
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Gesang
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Raimund Ennenga (seit 2012) |
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Gitarre
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Volker Dieken |
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Gitarre
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Jan-Ole Lamberti |
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Bass
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Lutz Neemann seit 2024 |
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Schlagzeug
|
Jann Hillrichs (seit 2006) |