„Fürs Songwriting bei CREMATORY können wir mit KI nichts anfangen.“
Zurück zu alter Stärke – CREMATORY über ‚Destination‘, KI und die Zukunft der Band mit Rolf Munkes
Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Gothic, Industrial und Death Metal haben sich CREMATORY seit den frühen 90ern einen festen Platz in der deutschen Metal-Landschaft erspielt. Nach zahlreichen Alben und unzähligen Live-Auftritten meldet sich die Band nun mit ihrem neuesten Werk „Destination“ zurück – einem Album, das nicht nur musikalisch zurück zu alter Stärke geht, sondern auch thematisch einiges zu sagen hat. Gitarrist Rolf Munkes, der seit zehn Jahren ein fester Bestandteil des Line-ups ist, spricht mit uns über den kreativen Prozess hinter „Destination“, reflektiert die Entwicklung der Band und verrät darüber hinaus den geheimen Nachfolger von „Tears Of Time“.
Hallo Rolf, vorab vielen Dank fürs Beantworten meiner Fragen und zudem ein großes Lob für die neue Scheibe. Unverschämt hohe Hitdichte mit tollen Referenzen an frühere Tage! Die Chartplatzierung habt Ihr wohlverdient. Ärgert Ihr Euch denn, dass es noch nicht früher der Fall war, oder ist die Zeit erst jetzt reif dafür gewesen?
Ach, man kann die Zeit natürlich nicht zurückdrehen, aber andererseits passt jetzt auch alles wunderbar. Wir sind dankbar dafür, dass wir jetzt in der Top Ten gechartet sind und freuen uns einfach nur, dass es im Jetzt ist. Lieber spät als gar nicht.
Leider musste kurzfristig die Tour abgesagt bzw. verschoben werden, da Schlagzeuger Markus mit einer Herzattacke zu kämpfen hatte. Inzwischen genest er auf Rhea am Tegernsee. Was geht in Einem in so einer Situation vor?
Ja, sowas kommt immer im falschen Moment, aber wichtig ist, dass Markus sich jetzt gut erholt und bald wieder fit ist, so dass wir die Shows, sobald es geht, nachholen können.
Euer neues Album „Destination“ wirkt atmosphärisch dichter und gleichzeitig kantiger als eure letzten Alben – welche bewussten Entscheidungen habt ihr beim Songwriting diesmal anders getroffen?
Wir haben uns eigentlich bewusst dafür entschieden wieder so ähnlich zu klingen, wie wir bei den ersten Alben geklungen haben. Man könnte sagen, ein Versuch zurück zu alter Stärke zu kommen. Und damit auch wieder ein bisschen härter.
In der aktuellen Singleauskopplung „The Future Is A Lonely Place“ schwingt eine fast schon dystopische Stimmung mit. Inwiefern spiegelt dieser Song auch Euer persönliches Weltbild im Hier und Jetzt?
Bei uns schreibt Felix alle Texte und ich weiß, dass er auch immer persönliche Momente und Erfahrungen in den Texten miteinbezieht. Als Weltbild würde ich es jetzt nicht bezeichnen, aber als momentane Skizze einer Situation schon eher.
Würdet Ihr sagen, dass „The Future Is A Lonely Place“ eine Art musikalisches Statement ist – oder eher ein emotionales?
Der Song kommt bei unseren Fans irre gut an. Das Video ist innerhalb von 2 Wochen auf Youtube schon über 230.000-mal gesehen worden. Von daher ist das schon irgendwie auch ein musikalisches Statement.
Was ist die „einsamste Zukunft“, die Euch als Künstler real erscheint – und wie schützt ihr Euch davor?
Die einsamste Zukunft wäre wirklich, wenn niemand meine/unsere Musik mehr hören will und ich/wir vor leerem Haus spielen müsste(n)…
Gibt es auf „Destination“ ein musikalisches oder textliches Element, das Euch zuerst fremd erschien – und dann umso mehr überrascht hat, wie gut es funktioniert?
Das gibt es schon öfter, gerade wenn du anfängst an Songs zu arbeiten, bist du dir manchmal nicht ganz sicher, ob es wirklich funktioniert. Und das kann in beide Richtungen gehen. Wir hatten schon Songs, die uns am Anfang gar nicht gefielen, die sich letztlich aber wunderbar entwickelten. Genauso gibt es aber auch Songs, die am Anfang nicht so richtig zünden wollen, aber auf einmal wird das kleine fehlende Element eingebaut und plötzlich funktionieren sie.
Der Sound auf „Destination“ ist druckvoll, aber auch überraschend transparent. Welche Rolle spielte die Produktion bei der Verwirklichung Eurer Vision – und habt Ihr neue Techniken oder Herangehensweisen ausprobiert?
Das aktuelle Album haben wir wieder bei mir im Studio produziert, und ich versuche mich eigentlich immer im Vergleich zum Vorgänger irgendwie zu verbessern, das ist mein Anspruch. Ich bastle also an jedem einzelnen Instrument und dem Gesamtsound ne ganze Weile rum, bis ich denke, dass es besser geworden ist im Vergleich zum Vorgänger. Das geht mal schneller, kann aber auch mal länger dauern.
Wie sehr beeinflussen Euch moderne Produktionsmittel und digitale Möglichkeiten – und wo zieht Ihr die Grenze zwischen Innovation und Identitätsverlust?
Du spielst sicher auf künstliche Intelligenz an und ihre Möglichkeiten damit Songs zu schreiben oder zu produzieren. Jeder von uns hat bestimmt schon einmal damit rumexperimentiert, aber fürs Songwriting bei CREMATORY können wir damit nichts anfangen. Wir haben uns eher an den alten Songs orientiert. Hier und da haben wir in alte Scheiben reingehört, uns tolle Momente rausgesucht und versucht diese ins Jahr 2025 zu bringen. Wir wollten schon immer so ein Album im Sinne von "Best of" basteln.
„Destination“ – das klingt nach einem Ziel. Habt ihr das Gefühl, musikalisch oder persönlich irgendwo „angekommen“ zu sein? Oder ist der Titel eher als Gegenfrage zu verstehen?
Im Gegensatz zur letzten Scheibe „Inglorious Darkness“, wo wir mit nur einem Sänger gearbeitet haben, hat sich auf dieser Scheibe alles irgendwie zusammengefügt. Auf dem Vorgänger war es noch ein bisschen wie das Suchen nach den richtigen Zutaten. Da haben wir sehr viel ausprobiert und auch wieder sehr viel verworfen. Ich denke, auf dieser Platte haben wir alle Dinge gefunden, die funktionieren und uns ausmachen.
Gibt es einen Moment, während der Arbeiten an „Destination“, der Euch emotional besonders berührt oder sogar verändert hat?
Ja es gab tatsächlich so einen Part, mir fällt nur gerade der entsprechende Song nicht ein. Markus war von einem Mittelpart den Felix gesungen hat, immer ziemlich berührt und fand den sehr sehr geil…
Wenn Ihr nur einen Song von „Destination“ auswählen dürftet, um einem Fremden zu erklären, wer CREMATORY im Jahr 2025 sind – welcher wäre das und warum?
Ja, ich denke das wäre der Song „The Future Is The Lonely Place“, der ja auch irgendwie der geheime Nachfolger von „Tears Of Time“ ist. Einfach ein sehr emotionaler Track, mit einer melancholischen Stimmung und grandiosen Melodie.
Gibt es eine Wahrheit, die Euch dieses Album gelehrt hat – über Euch selbst, über Eure Musik oder über das, was Ihr der Welt eigentlich sagen wollt?
Diese Wahrheit gibt es schon länger. Du musst immer an dich glauben, und du wirst immer Leute haben, die das nicht gut finden, was du machst, aber das ist eben mal Kunst. Ich glaube, wir haben mittlerweile gelernt damit umzugehen.
Wie verändert sich Eure Dynamik als Band, wenn ein neues Album entsteht? Gibt es feste Rollen – oder ist es manchmal auch ein kontrolliertes Chaos?
Ja, ich denke schon. Die Rollen bei uns in der Band sind eigentlich fest vorgegeben, und das ist eigentlich auch immer das wichtige an einer Band, wenn sie lange durchhalten will. Jeder muss wissen, wo sein Platz in der Band ist. Doof wird es eigentlich erst, wenn Leute aufgrund des Erfolgs meinen, sie müssten jetzt in jedem Gewässer fischen. Das ist wie bei Zahnrädern, wenn die Größe nicht zueinander passen, dann läuft es nicht.
Na ja, ich glaube das schließt sich gar nicht aus. Du saugst die Welt immer in irgendeiner Art und Weise auf, und Künstler sind ja dafür da, dass sie die Eindrücke des Weltgeschehens oder des persönlichen Erlebens irgendwie in Musik verarbeiten. Das ist ein ganz normaler Prozess.
Wenn Ihr so auf Eure Anfänge zurückblickt: Welche Vorstellung vom Musikerleben hat sich erfüllt – und welche hat sich komplett verändert oder sogar entlarvt?
Na ja, ich will nicht die gleiche Leier wieder aufmachen, aber die Art und Weise wie Menschen mit Musik umgehen, beziehungsweise sie wertschätzen hat sich in den Jahren meines Lebens doch sehr verändert. Das hätte ich mir in frühen Jahren wirklich nicht vorstellen können. Ich habe Musik immer sehr wertgeschätzt und bin davon ausgegangen, der Rest der Welt tut es auch, doch das war ein Trugschluss. Das man jetzt wieder um Autorenrechte kämpfen muss (Napster, Youtube, etc.) ist unfassbar.
Was bedeutet Loyalität innerhalb einer Band über Jahrzehnte hinweg – und wie haltet Ihr Eure kreative Verbindung lebendig, ohne in Wiederholungen zu verfallen?
Loyalität und Kompromissbereitschaft sind natürlich ganz wichtig in einer Band. Aber wir sind ja jetzt nun mittlerweile keine 20 mehr und haben im Musikleben eine ganze Menge Erfahrung gemacht. Von daher wissen wir, auf was es ankommt und wissen auch, wo man mal eben einen Schritt zurück machen sollte.
Wie geht Ihr mit künstlerischen Meinungsverschiedenheiten um? Gab es bei „Destination“ Momente, wo Ihr Euch musikalisch fast „verloren“ hättet?
Klar gibt es bei uns auch mal Meinungsverschiedenheiten, aber wir haben alle gelernt nach vorne zu schauen und sind auch immer bereit Kompromisse einzugehen. Weil wir auch genau wissen, dass wir alle immer nur ein Ziel vor Augen haben. Das ist ein cooler Song und der gemeinsame Output.
Dann nochmal vielen Dank für Eure Zeit und bis hoffentlich bald mal wieder persönlich auf Tour! Noch alles Gute, insbesondere für den Markus!
Gesang
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Gerhard „Felix“ Stass |
Bass
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Oliver Revilo (seit 2024) |
Schlagzeug
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Markus Jüllich |
Keyboard
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Katrin Jüllich |
Lead-Gitarre
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Rolf Munkes (seit 2016) |