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Interviews

Ist KI-Musik Kunst - Interview mit Frank von Frank and Free


Ist KI-Musik Kunst - Interview mit Frank von Frank and Free

Vor einiger Zeit erreicht uns eine Rezensionsanfrage von FRANK AND FREE, der gerade sein Album „Die Iden des März“ fertiggestellt hatte. Soweit nicht ungewöhnlich. Allerdings wurden Album und Artwork mit KI generiert. Ein rotes Tuch für viele in der Metalszene, wie zuletzt GRAVE DIGGERs Chris, aber auch Amis wie KERRY KING oder DEICIDE erfahren durften. Gerade weil der Einsatz von KI ein so kontroverses Thema in der Szene ist, baten wir den Kopf hinter FRANK AND FREE, Frank Bruns, um einige Antworten zu unseren Fragen. Frank hat sich viel Zeit genommen, um uns ausführlich Auskunft zu geben. Das Ergebnis ist ein – wie ich finde – aufschlussreiches und interessantes Interview, welches zumindest ein wenig Licht ins Dunkel der Arbeit mit KI im Musikbereich bringt. Bleibt mir nur zu hoffen, dass mich nun nicht der Teufel holt…

"Nun ist es passiert: Im letzten Monat ist uns das erste „unter Mithilfe von KI“ komponierte Metal Album zur Rezension angeboten worden.“ – So beginnt das Vorwort von Götz Kühnemund im aktuellen Deaf Forever. Das Angebot wurde von der Redaktion dankend abgelehnt. Eine Erfahrung, die du ebenfalls gemacht hast. Welche Reaktionen hast du denn von den unterschiedlichen Magazinen bekommen – wenn überhaupt?

Hallo Thorsten, vielen Dank, dass du mir die Gelegenheit für dieses Interview gibst. Ich hoffe, dass meine Antworten aufschlussreich sein werden und das Themenfeld KI-Musik authentisch wiedergeben, auch im Sinne der KI-Musik-Community, die ich hier repräsentieren darf.

Im März 2025 wandte ich mich an rund zehn Rock- und Metal-Redaktionen mit der Bitte, mein Album DIE IDEN DES MÄRZ zu rezensieren. Da mein Album ausschließlich als Stream oder Download (z.B. über Spotify, Deezer, Bandcamp) erhältlich ist, kontaktierte ich nur Redaktionen, die keine physischen Tonträger verlangen. Darunter große Szenemagazine, aber auch viele kleine.
In meinem Anschreiben stellte ich das Album als eine Mischung aus Hörspiel und harter Musik mit historischem Bezug vor. Ein Musikvideo für den schnellen Eindruck legte ich ebenfalls bei. Ich ging transparent mit dem Einsatz von KI im Produktionsprozess um und machte kein Geheimnis daraus, dass sie der Schlüssel war, um auf diesem Niveau produzieren zu können.
Die Reaktionen auf meine Anschreiben fielen verhalten aus. Nur das Twilight Magazin bekundete Interesse an einem Review. Ansonsten herrschte Funkstille.
Ich dachte mir nichts dabei, weil ich davon ausging, dass es für einen unbekannten Spieler schwierig werden würde, in einer Vielzahl von Einsendungen wahrgenommen zu werden. Ich nahm außerdem an, dass in einer Szene, die enormen Wert auf das Können am Instrument legt, Skepsis bezüglich KI-Musik ohnehin vorprogrammiert sei.
Ich erwartete die Ablehnung, wollte mein Glück aber versuchen.
Mir wurde dann schnell klar, dass ich die Öffentlichkeit für mein Album anders herstellen musste. Das war die Initialzündung für meinen YouTube-Kanal FRANK AND FREE. Thematisch entwickelte er sich jedoch schnell über das Album-Marketing hinaus und ist nun auf dem Weg ist, ein etablierter Szene-Kanal zu werden.

Wie bist du überhaupt darauf gekommen, ein Album mit Hilfe von KI zu erstellen? Und wie lange hat es gedauert, bis aus der Idee ein fertiges Album entstanden ist?

Meine musikalische Reise begann 2014 mit Mitte Dreißig. Durch YouTube und ein paar Bücher lernte ich autodidaktisch, wie man am Computer Musik komponiert und produziert. Natürlich laienhaft. Unter dem Eindruck der damaligen Flüchtlingskrise veröffentlichte ich 2017 mein erstes Album GEDANKENPALAST, dass vorwiegend sozialkritische Texte vertonte.
Im gleichen Jahr bekamen meine Frau und ich unser erstes Kind. Mit den neuen Lebensumständen schwand die Zeit, sich aufwendigen Freizeitprojekten zu widmen. Mit dem zweiten Kind sah es nicht anders aus und meine musikalischen Aktivitäten schliefen ein.
Im Februar 2024 änderte sich das. Auf meiner Reise durch das Internet stieß ich auf eine frühe Version des KI-Musikdienstes Suno. Gleich fütterte ich die KI mit Texten unvollendeter Songs. Nach heutigen Maßstäben war die Tonqualität der generierten Lieder unterirdisch, aber ich wäre fast vom Stuhl gefallen, als ich die ersten gesungenen Zeilen hörte. Das war ein lebensverändernder Moment für mich. Endlich würde ich wieder musikalisch kreativ werden können. Und zwar in einem zeitlichen Rahmen, der in den turbulenten Alltag einer Familie mit zwei jungen Kindern passte. KI-Musik-Machen ist nämlich elternkompatibel, selbst in der Rush-Hour des Lebens.
Nach weiteren Experimenten fasste ich den Entschluss, ein ganzes Album zu produzieren. Ich benötigte dann etwa 8 bis 9 Monate vom ersten Song bis zum finalen Master.

Welche KI-Tools hast du zur Produktion der Musik und der Lyrics benutzt? Welche Tools hast du zur Erstellung des Layouts und der Videos benutzt?

Für die Erstellung der Musik nutzte ich den Anbieter Udio. Das ist der größte Konkurrent von Marktführer Suno. Udio bot seinerzeit für meine Ohren den authentischsten Klang bei Stimmen und Instrumenten, insbesondere im Bereich der harten Gitarrenmusik. Mittlerweile konnte Suno klanglich jedoch ordentlich aufholen und überholt Udio in der Ausdrucksstärke bisweilen sogar. Deshalb würde mir die Entscheidung heute schwererfallen.
Die KI-Musikdienste generieren sowohl Musik als auch Gesang. Man kann eigene Songtexte verwenden oder sie von der KI generieren lassen (was in der Szene aber etwas verpönt ist).
Man darf sich die Generierung von KI-Musik mit Udio aber nicht als Ein-Klick-Lösung vorstellen. Anders als bei Suno generiert man einen Song Stück für Stück, meist in kleinen 30-Sekündigen Abschnitten. Das ist zwar aufwendiger, erlaubt aber auch viel Kontrolle über den Verlauf oder, in meinem Fall, die Dramaturgie eines Liedes. Gewissermaßen zwingt es dich, Abschnitt für Abschnitt über die musikalische Vision des Songs nachzudenken und die richtigen Entscheidungen zu treffen, um diese Vision zu erreichen. In einem eingeschränkten Rahmen könnte man das mit Komponieren vergleichen. In jedem Fall muss man jedoch planvoll vorgehen, wenn man z.B. an der vorgesehenen Stelle ruhigere Sequenzen im Song braucht, um dort hinterher eine Dialogszene einsetzen zu können.
Zur Erstellung der grafischen Elemente im Kontext meines Albums, habe ich den Bildgenerator der Firma Midjourney genutzt. Das betrifft auch das Cover-Artwork, das ich anschließend in Photoshop weiterbearbeitet habe.
Mein Musikvideo zum Song „44 vor unserer Zeit“ ist eine Mischung aus eingekauften Fertigvideoclips (z. B. die tanzende Kleopatra) und KI-generierten Videos, die nach meinen Anweisungen erstellt wurden (alle Szenen im antiken Rom). Grundlage für die generierten Videos war oft ein statisches Bild aus Midjourney, das durch eine Video-KI animiert wurde.
Alle Videoschnipsel habe ich klassisch mit dem Schnittprogramm zu einem großen Ganzen zusammengefügt.
Die KI-generierten Videos stammen übrigens vom Anbieter KlingAI, der ein relativ gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Videogenerierung kann nämlich schnell teuer werden.
Eine Sache sollte man aber im Hinterkopf behalten, wenn man sich das fertige Musikvideo heute ansieht: Es spiegelt den technischen Stand aus dem Sommer 2024 wider. Die Fähigkeiten der Video-Generatoren haben sich seitdem deutlich weiterentwickelt, wenn man z.B. an Googles Veo 3 denkt.

In München läuft momentan eine Ausstellung von Miguel Chevalier, „Digital by Nature“. Chevalier sagte in einem Interview u.a., dass viele Menschen vor der KI Angst hätten, da sie sich nicht damit auskennen und daher glaubten, dass die Möglichkeiten grenzenlos seien. Tatsächlich nutze er die KI jedoch lediglich als Tool, um seine Kunst zu erschaffen. Ist das mit deinem Ansatz vergleichbar? 


Wenn es um KI geht, herrscht oft die Vorstellung vor, dass sie auf Knopfdruck die komplexesten Aufgaben mühelos erledigt. Ich bin Software-Entwickler von Beruf und in unserer Branche ist KI gerade ein ernstes Thema, dem neben Euphorie auch mit gesunder Skepsis begegnet wird. Man macht sich Sorgen, dass alle Programmieraufgaben zukünftig durch KI-Tools erledigt werden und unser Beruf dadurch überflüssig wird.
Da sind wir derzeit sicher noch nicht. Jedenfalls nicht, wenn man komplexe Projekte mit vielschichtigen Anforderungen und branchenspezifischem Domänenwissen umsetzen muss. Abseits des Kellerkind-Klischees ist professionelle Software-Entwicklung eine hochgradig soziale Angelegenheit, die feinfühlige Kommunikation zwischen vielen Menschen erfordert. Projekte scheitern eher an diesem Umstand und kaum an technischen Hürden.
Für Aufgaben mit überschaubarer Komplexität funktioniert KI aber schon sehr gut. Menschliche Kontrolle bleibt aber unerlässlich, weil sie immer wieder Fehler macht (so wie wir übrigens auch), diese Fehler aber gerne mit Überzeugung vorträgt.
Bei der Musik ist es ähnlich, nur dass Fehler im Rahmen der Kunst etwas Positives sein können. Übliche Pfade werden verlassen und interessante Irritationen entstehen, auf denen man aufbauen kann. Wenn man den x-ten generischen Popsong erstellen möchte, dann kommt man mit KI sehr schnell zum Ziel. Die interessantere Musik entsteht aber, wenn man beginnt, mit der KI kreativ zusammenzuarbeiten und sie als eine Art Ko-Produzenten betrachtet.
KI ist ein ideales Werkzeug, um Ideen zu testen und dann durch einen Feedbackprozess weiterzuentwickeln.
Bei mir ist es oft so, dass ich zu Beginn eine grobe Vorstellung von einem Song habe und mir erste Umsetzungsvorschläge von Suno oder Udio erstellen lasse. Mir fällt schnell auf, was gut funktioniert und was nicht, auch im Zusammenspiel mit meinen Lyrics. Die Vorschläge der KI inspirieren mich dann zu neuen Ideen und Gedanken, die ich durch schnelles Ausprobieren verfeinern kann.
Früher stand ich vor einer anspruchsvollen Produktion, wie DIE IDEN DES MÄRZ, vor einem riesig erscheinenden Berg an Arbeit und - ehrlicherweise - auch Fähigkeitslücken. KI bewirkte für mich, dass dieser Berg etwas kleiner, eher zu bewältigen, und plötzlich realistischer zu erklimmen erschien.
Für mich und viele andere dürfte KI auch den schwierigsten Teil des Schaffensprozesses vereinfacht haben: das Anfangen. Einfach, weil man nicht mehr so lange vor dem leeren Blatt steht.
Insofern ist KI ein sehr nützliches Songwriting-Werkzeug, auch für traditionelle Musiker. Sie nutzen Musik-KIs z. B., um Schreibblockaden beim Komponieren aufzulösen. Man lädt ein Songfragment hoch und lässt die Musik-KI Ansätze generieren, wie der Song fortgesetzt werden könnte. Das ist sicher enorm hilfreich und macht Frustmomente seltener.

Götz Kühnemund (und viele andere) kritisieren am Einsatz von KI in der Musik/Kunst vor allem, dass dieser Form die Emotionen fehlen, dass es nicht handgemacht ist usw. Was entgegnest du auf diesen Vorwurf – vor allem mit Blick auf dein eigenes Album?

Das mit der Emotion in der Musik ist so eine Sache. Für mich entsteht die Emotion eher durch den Kontext der Musik. Vermittelt sie eine Botschaft, mit der ich mich identifizieren kann oder über die ich Zugang zu neuen Gedanken finde? Bilden Komposition, Text und Gesang auf besondere Weise ein großes Ganzes im Dienst der kreativen Vision? Ist eine Note an der Stelle Zufall oder hintergründige Absicht? Folgt der Aufbau eines Songs einer Dramaturgie, die sich in einem Höhepunkt entlädt, der Gänsehaut erzeugt? Ich kann über kreative Einfälle staunen, über die Mühen, die es kostet, Ideen oder ein interessantes Konzept auf Albumlänge umzusetzen. Das packt mich und auf DIE IDEN DES MÄRZ habe ich probiert, das auszuleben.
Die Raffinesse allein, mit der Gitarristen oder Pianisten ihre Saiten anschlagen, löst in mir selten Emotionen aus. Wenn ich ehrlich bin, passiert das nur, wenn ich mir vor dem geistigen Auge vorstelle, wie der Musiker seine Noten darbietet, oder wenn ich es in einer Live-Performance erlebe. In diesen Momenten vergleiche ich meine eigenen Fähigkeiten mit ihren. Ich sehe das Resultat einer viele Jahre dauernden beschwerlichen Reise, die notwendig war, um das Instrument virtuos zu spielen und spüre Bewunderung. Wenn man darauf seinen Schwerpunkt legt, ist KI-Musik auf jeden Fall künstlich und emotionslos und die Kritik wird nachvollziehbar.
Begeistert man sich aber für Konzepte, Kompositionen und Ideen, kann KI-Musik reizvoll sein und vielleicht sogar Lücken im traditionellen Musikangebot schließen.
Ich habe von einer Hörerin gespiegelt bekommen, dass der dramatische Höhepunkt meines Songs „Die Bürde des Brutus“ ihr Gänsehaut bereitet hat. Nicht wegen der Musik an sich, sondern wegen der emotionalen Wirkung seiner Textzeilen, die die Zerrissenheit des Charakters Brutus auf dramatische Weise deutlich machten.
Insgesamt sind Emotionen in der Musik sicher eine sehr subjektive Angelegenheit, aber ich wage zu behaupten, dass die Art, wie eine Aufnahme entstanden ist, nicht der wesentliche Faktor für das Gefühl in der Musik ist. Das darf aber gerne jeder anders sehen.

In Deutschland haben vor allem Grave Digger in jüngster Zeit viel Kritik einstecken müssen, da sie ein KI-Artwork verwendet haben. Aber auch Bands wie DEICIDE oder KERRY KING haben KI dafür eingesetzt. Kannst du verstehen, dass Fans (und vielleicht auch Künstler) den Einsatz von KI kritisieren?

Ich habe die Kontroverse nicht verfolgt, vermute aber, dass es den Kritikern von Grave Digger und Co. um das Festhalten an einem Prinzip geht, um eine Idealvorstellung. Dieses Ideal wurde von der Realität jedoch längst aufgeweicht und streift das Terrain eines Trugschlusses.
Unter meinen YouTube-Videos kommentieren auch Menschen, die sich mit der technischen Seite des Musikmachens auseinandersetzen und z.B. Produktions- oder Studioerfahrung haben. Da lese ich immer wieder, dass KI unsichtbar bereits in vielen Musikproduktionen eingesetzt wird, selbst wenn diese als traditionell wahrgenommen werden.
Ich habe bereits 2017 mit Audio-Plugins experimentiert, die Akkordfolgen sowie passende Basslinien und Melodien vorschlugen. Auch im Mixing und Mastering existieren schon seit vielen Jahren Branchenlösungen, die mit schnellen Resultaten durch KI werben. Der Wunsch nach Arbeitserleichterung und Abkürzung durch Technologie ist aus meiner Sicht weder neu noch verwerflich. Die generative KI-Musik hat sicher noch eine andere Qualität, aber am Ende bleibt die Wirkung einer künstlerischen Arbeit im Gedächtnis, nicht der bloße Herstellungsprozess.
Wenn sich eine Band entschließt, ein KI-Cover mit ihrem Namen darauf zu veröffentlichen, darf das durchaus kritisiert werden. Eine Kritik mit Mehrwert beschäftigt sich meiner Meinung nach jedoch mit der intellektuellen Tiefe des Covers, ob es die Botschaft der Musik unterstreicht, ihr gar eine weitere Dimension des Erlebens hinzufügt, oder zumindest als visuelles Werk in sich stimmig ist. Das reine Echauffieren über einen vermeintlichen Tabubruch spiegelt vielmehr den Wunsch wider, dass alles so bleiben soll, wie es früher einmal war. Es ist die konservative DNA der Metal-Szene, die zum Vorschein kommt.
Der interessantere Konflikt beim KI-Einsatz findet aus meiner Sicht im Künstler selbst statt. Er muss mit sich ausmachen, wie stark er oder sie das Ergebnis prägen muss, damit es sich noch wie das eigene Werk anfühlt.
Ich habe mir auf DIE IDEN DES MÄRZ bei der Musik helfen lassen, weil ich es nicht selbst auf diesem Niveau gekonnt hätte. Meine Stärken lagen im Bereich der Konzeption, der Textarbeit, der Dramaturgie und des Feinschliffs in der Produktion. Deshalb bezeichne ich mich auch nicht als Musiker, sondern als Autor, Regisseur und Produzent des Albums. Das reicht mir, um zufrieden auf das Geleistete zu blicken und das Werk trotz der KI-Unterstützung als meine Arbeit zu betrachten. Die kreative Vision stammte eindeutig von mir und ich habe dem Projekt meinen Stempel aufdrücken können.
Möglicherweise ist es den Leuten von Grave Digger, DEICIDE oder KERRY KING ähnlich gegangen, als sie ihr Artwork mit KI gestaltet haben. Vielleicht hatten sie zum ersten Mal das Gefühl, dass es wirklich ihr Cover war, weil es ohne Mittelsmann direkt aus den eigenen Ideen entstanden ist.

Du hast für dein Album „Die Iden des März“ ein historisches Thema gewählt und daraus eine Mischung aus Erzählung und Musik gemacht. Weshalb ist die Wahl auf dieses antike Thema gefallen?

Ich glaube, da kommen zwei Faktoren zusammen. Erstens bin ich ganz einfach interessiert an Geschichte. Die HBO-Serie „Rome“ hat seinerzeit großen Eindruck auf mich hinterlassen und dazu geführt, dass ich mich stärker für die Geschichte des Römischen Reichs interessiert habe.
Passend dazu veröffentlichte die Metal-Band Ex Deo Musik mit demselben Thema. Das fand ich zwar cool, aber vollends begeistert war ich nicht. Aus meiner Sicht ließ die Band stets großes Potenzial liegen, weil sie den erzählerischen Ansatz nicht konsequent ausformulierte. Sie arbeitete in den Songtexten immer wieder mit Dialogschnipseln und Zitaten, aber verzichtete weitgehend auf verteilte Rollen und eine Geräuschatmosphäre. Ex Deo sind für meinen Geschmack noch zu sehr in der Musik verhaftet und zu wenig Geschichtenerzähler, um die antike Welt lebendig werden zu lassen. Also habe ich die Art von Album, die ich hören wollte, einfach selbst gemacht.
In einem Video über die Ursprünge meines Albumkonzepts sprach ich davon, dass viele Konzeptalben inhaltlich unzugänglich bleiben, wenn man sich mit der behandelten Materie nicht bereits auskennt. Das wollte ich anders machen. Deshalb wurden die einzelnen Lieder durch eine Rahmenhandlung aus Hörspielsequenzen miteinander verbunden. Ich wollte die Ereignisse um das Attentat auf Caesar im März des Jahres 44 vor Chr. verständlich erzählen und dabei vielleicht sogar ein paar neue Aspekte vermitteln, die nicht jedem geläufig sind. Ich denke, das ist mir gelungen.

Wie herausfordernd war die Erstellung von Dialogen, Texten usw.? In der Vorstellung der meisten Menschen geht das mit KI ja im Handumdrehen. Ich schätze jedoch, dass es ganz so einfach vielleicht nicht war.

Alle Songtexte und Dialogszenen habe ich ganz klassisch ohne KI geschrieben. Darin sehe ich meine Kunst. Neben den Schwierigkeiten, die der kreative Schreibprozess immer mit sich bringt, bestand die Herausforderung in der Recherche der historischen Figuren und Ereignisse. Ich wollte so nah wie möglich an den Überlieferungen bleiben, auch wenn man verstehen muss, dass diese überwiegend nicht von Zeitzeugen stammen oder gar politisch gefärbt sind und deshalb auch nicht für bare Münze genommen werden dürfen.
Sprachmodelle wie ChatGPT, Claude oder Gemini haben mir sehr geholfen, weil ich gezielt Fragen zu Personen oder geschichtlichen Zusammenhängen stellen konnte. Dennoch war es wichtig, die Ergebnisse mit traditionellen Internetquellen wie Wikipedia abzugleichen. Die KIs widersprachen sich teilweise, begingen Fehler in der zeitlichen Abfolge oder erfanden Zusammenhänge einfach. Dennoch waren sie stets ein guter Startpunkt für die Informationsgewinnung.
Die Hörspielszenen habe ich ebenfalls traditionell mit Geräuschbibliotheken und Musik in meiner Audiosoftware produziert. Nur die Sprecher waren ungewöhnlich, denn ich habe KI-Stimmen benutzt. Die sind zwar unausgereift und haben ihre Schwächen im Ausdruck, einen großen Vorteil haben sie aber gegenüber menschlichen Sprecherinnen und Sprechern: sie haben immer Zeit.
KI-Stimmen können schnell ein paar Zeilen einsprechen, um schon in der Entstehungsphase eines Dialogs zu prüfen, wie er wirkt. Das erleichtert das Feintuning einer Spielszene enorm.
Und dass ich nicht auf die Terminkalender anderer Leute Rücksicht nehmen musste, kam mir sehr entgegen. Ich arbeitete meist in den späten Abendstunden oder früh morgens an meinem Projekt. Wie gesagt, KI-Musik ist elternkompatibel.

Ich meine, mich zu erinnern, dass es dein Traum wäre, mit Musikern deiner Lieblingsbands aus dem Mittelalter-Bereich zusammenzuarbeiten. Was glaubst du, wie sie auf die Anfrage zu einer Kooperation reagieren würden?

Du beziehst dich auf eine Stelle in meinem Video „Ist KI-Musik illegal?“. Darin behandle ich den Rechtsstreit zwischen Musikindustrie und KI-Musikdiensten und bringe auch Beispiele für die Plagiatsvorwürfe, mit denen die GEMA gegen Suno vor Gericht gezogen ist.
Ich lege Wert auf Transparenz und zeige in dem Video auch, dass die Stimme in meinem Song „Die Bürde des Brutus“ stark nach Eric Fish, dem Frontmann der Mittelalter-Metalband Subway to Sally, klingt.
Tatsächlich finde ich, dass dieser Song mit seinem Thema, dem Pathos und der Dramatik dieser Band wie auf den Leib geschneidert wirkt. Wenn Subway to Sally Interesse hätte, den Song selbst einzuspielen, wäre ich sofort dabei. Ich verfolge ihren Werdegang seit knapp 30 Jahren. Neben Goethes Faust haben die Texte von Subway to Sally den Stil meiner eigenen Lyrik am meisten geprägt. Und das schon seit Teenagertagen.
Ich bin jedoch skeptisch, dass es für eine Band auf dem Niveau künstlerisch reizvoll wäre, einen KI-Song nachzuspielen. Allerdings las ich kürzlich, dass Subway to Sally für den Einsatz von KI in einem Lyrics-Video kritisiert wurde. Ganz unbeflecktist die Band in diesem Thema also nicht. Ich wäre bereit für eine Zusammenarbeit. 😁

Planst du weitere Alben? Und wenn ja, was darf davon erwartet werden? Gibt es schon Ideen zu Inhalten usw.?FRANK AND FREE   Banner small


Ich spiele immer wieder mit dem Gedanken an eine Fortsetzung von DIE IDEN DES MÄRZ. Auf jeden Fall stünde Kleopatra dann im Zentrum der Handlung. Sie hatte bisher nur einen Gastauftritt. Ihren Song zähle ich aber zu den stärksten des Albums.
Kleopatras Geschichte ist dramaturgisch gesehen noch interessanter als die von Caesar, weil für sie mehr auf dem Spiel stand. Sie hatte die schwierige politische Aufgabe, Ägypten durch die Wirren der römischen Bürgerkriege und wechselnden Machtverhältnisse zu navigieren, um ihrem Land wenigstens etwas Eigenständigkeit im Angesicht der römischen Übermacht zu bewahren.
Hin und wieder schreibe ich Ideen auf, stelle mir Szenen vor oder mache mir gedanklich Notizen. Gleichzeitig befürchte ich, dass ein das Nachfolgealbum wohl noch ambitionierter ausfallen würde.
Für ein so umfangreiches Projekt fehlt mir leider die Zeit. Ich konzentriere mich aktuell auf meinen YouTube-Kanal, weil er sich konkret auf dem Wachstumspfad befindet. Ich möchte ihn zum medialen Zentrum der deutschen KI-Musikszene ausbauen. Da ist für mich sprichwörtlich mehr Musik drin.

Wie lange wird es deiner Meinung nach dauern, bis der Umgang mit KI im Musikbereich – oder genauer im Rock und Metal Bereich – Alltag ist?

Wie weiter oben gesagt, denke ich, dass KI als Technologie an sich im Musikbereich längst Alltag ist.
Wenn ich konkret für die Nutzung von Musik-Generatoren, wie Suno und Udio, einen Blick in die Glaskugel wagen soll, dann sieht meine Antwort so aus:
Rock- und Metalbands, die viel Wert auf hochwertigen Sound, Instrumentenspiel und Bühnenpräsenz legen, werden auch weiterhin ihre Musik selbst aufnehmen. Aber als Ideengeber oder Auflöser von Schreibblockaden wird KI für sie ebenfalls interessant werden. Und zwar schon jetzt.
Ist Klangqualität jedoch das Maß aller Dinge, geht derzeit nichts über traditionelles Produzieren. Denke ich z.B. an die transparente Instrumentenabmischung in den neuesten Werken von Lorna Shore, Igorrr, Carach Angren oder Fleshgod Apocalypse, dann liegen meines Erachtens Welten zwischen ihnen und den Ergebnissen generativer Musik-KIs.
Das wird vorerst wohl auch so bleiben. Es sei denn, die KI-Dienste erhalten irgendwann Zugriff auf ein vollumfängliches Sortiment an Instrumentenspuren. Derzeit trainieren sie ihre Modelle hauptsächlich auf fertig gemasterter Musik, die sie sich, mutmaßlich illegal, z. B. von Streamingplattformen, besorgt haben. Da gehen viele Audiodetails in den Trainingsdaten verloren. Sollten die Rechtsstreitigkeiten mit der Plattenindustrie in Zukunft beigelegt werden – und dafür gibt es Indizien – könnte sich die Situation aber ändern.
Grundsätzlich meine ich, dass gerade die Rock- und Metalszene relativ wenig unter KI-Musik leiden wird. Sie lebt vom Live-Erlebnis, von der Interaktion zwischen Band und Publikum, vom gemeinsamen Feiern der Musik auf Konzerten. Schwieriger wird es aber für reine Studiomusik und Studiomusiker.
Die Sichtbarkeit sinkt aber für alle durch die Massen an KI-Musik. Da kann guter Journalismus, der filtert und kuratiert, hilfreich sein. Aber auch die Streamingdienste sind gefragt, KI-Musik im Sinne ihrer Nutzer besser zu integrieren. Erste Schritte in diese Richtung gehen sie bereits.
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