Mit Try to Survive melden sich SNAPPED aus Hannover mit ihrem Albumdebüt und lassen es direkt ordentlich scheppern. Zwischen all dem Potenzial wird klar: Da ist noch Luft nach oben – aber was die Band hier abliefert, ist ein außerordentlich gelungenes Erstlingswerk, das definitiv Lust auf mehr macht.
Der Spaß beginnt mit Chaos, einem nicht einmal zweiminütigen Intro, das noch nicht so recht verrät, wohin die Reise geht – außer, dass es kraftvoll und hart wird. Es folgt mit Origin der erste echte Song des Albums, und der treibt einen direkt richtig nach vorn. Der selbstproklamierte „Nu-Death“ der Hannoveraner weckt tatsächlich leichte Slipknot-Flashbacks und überzeugt mit Härte und gelungenen Wechseln. Danach geht es mit I’ll Be weiter: Der gestaffelte Gitarren-Einstieg macht sofort Spaß, danach zieht der Song oldschoolig und geradeaus durch, sodass der Kopf keine andere Wahl hat, als mitzuwippen. Ein kleines Gitarrensolo rundet das Ganze ab. Mit dem dritten Song Friend konnte ich mich zunächst nur bedingt anfreunden – vielleicht, weil er sich zu nah an die vorherigen Songs anlehnt. Doch die Bridge und der anschließende Breakdown bringen schließlich genau die Abwechslung, die mir zuvor gefehlt hatte. Von Anfang an eingenistet hat sich dagegen Parasite, der mit mehr Tempo direkt in den Gehörgang kriecht – und bleibt. Melodiöse Soli mischen den schepper-sägenden Gitarrenrahmen auf und machen den Song zu einem der besten des Albums. Ganz im Kontrast dazu startet Only Me: Der sechste und mit passenden sechs Minuten auch längste Song des Albums kommt wunderbar schleppend daher. Diese Schwere und Düsternis, die Gefühle des Dahindarbens hervorrufen, zeigen SNAPPED erstmals von ihrer wirklich abgründigen Seite. Das vielfach wiederholte „It’s only me. I walk alone.“ unterstreicht das eindrucksvoll. Pisssed (ja, mit drei S!) springt einem danach direkt wieder ins Gesicht. Aus der depressiven Düsternis wird hier pure Wut – echter Ingrimm, der in einem „Shut up! I just can’t take it no more!“ gipfelt. Song Nummer acht und zugleich Namensgeber des Albums, Try to Survive, bleibt dem bisherigen Sound treu, wirkt aber durch kleine Variationen etwas reifer und ausgefeilter. Besonders gelungen sind die kurzen Gitarrenausbrecher, die die Härte melodisch kontrastieren und damit noch stärker hervorheben. Nein, I’m Out ist nicht der letzte Song des Albums, hat aber sowohl aufgrund des Titels als auch des treibenden Tempos das Potenzial, live für ein furioses Finale zu sorgen. Mit Lifeline beweisen SNAPPED dann, dass sie auch ruhig können: Die ersten cleanen Gitarrensounds erinnern an Tristram (ja, Diablo lässt grüßen), bevor der Song in verzerrte, härtere Gefilde übergeht. Ein sehr emotionales Stück, das zum Ende hin sogar das Shouting durch weitere cleane Vocals ergänzt. Den Abschluss bildet Renewed – klassischer gehalten, irgendwo zwischen Nu-Death und Melodic Death Metal angesiedelt. Er erinnert an die frühen 2000er und macht zum Schluss noch einmal richtig Spaß.
Mit Try to Survive legen SNAPPED ein beeindruckendes Debüt hin, das Kraft, Wut und Emotion in einem dichten Soundgewand vereint. Trotz kleiner Wiederholungen und mancher Übergänge, die noch geschliffener wirken könnten, beweisen die Hannoveraner enormes Potenzial und Gespür für Dynamik. Wer auf modernen Metal mit Nu-Death-Einflüssen, melodischen Gitarreneinlagen und ehrlicher Energie steht, sollte sich dieses Album auf jeden Fall gönnen – laut, versteht sich.