Das neue Album der Gerichtsmediziner gehört weder in die Kühlkammer noch in einen Leichensack, sondern in eure Anlage. Das nenne ich mal ein Comeback.
CORONER sind ein typischer Vertreter der „your favorite band favorite band“ Kategorie.
Will sagen: Die Schweizer haben unter Musikern wesentlich mehr Anerkennung gefunden als in der breiten Masse. Ich erinnere mich an ein spärlich besuchtes Konzert mit POLTERGEIST im eh schon übersichtlichen Flohzirkus in Hannover. Die eher spärliche Resonanz wohl auch an dem technischen Anspruch des Thrash Metals, den sie spielten – und spielen. Denn nach über 30 Jahren gibt es nun neues Futter für die Ohren. Ich muss zugeben, dass ich von den bisherigen Werken nur das ´No More Colour´ Album besser kenne und schätze.
Im Gegensatz zu vielen anderen Reunions legen die Schweizer mit ihrem neuen Album in Sachen Qualität eine mächtige Schippe drauf. Das liegt nicht nur an der besseren Produktion, die logischerweise in den letzten 35 Jahren Fortschritte gemacht hat. Das Songwriting hat sich (noch) weiterentwickelt, von stilistischen Brüchen will ich aber nicht sprechen. Auch wenn die erste Single ´Renewal´ heißt, geht die Stiländerung nicht so weit wie bei den Thrash-Buddys von KREATOR auf deren gleichnamigen Album.
CORONER erschaffen auf ´Dissonance Theory´ eine wesentlich dichtere und düstere Atmosphäre als auf den Frühwerken. Auch aufgrund des grimmigen Gesangs und des stelleweise durch Synthesizer Einsatz opulenten Sounds bin ich immer mal wieder an TRYPTIKON erinnert. Trotz dieser eher mächtig erhabenen Parts klingt das Album unglaublich dynamisch. Großen Anteil daran hat Drummer Diego Rapacchietti, der bei seiner ersten Studioarbeit mit CORONER einen herausragenden Job macht. Auch die Pole von ruhigen Klängen und Raserei verbindet das Trio locker. Das war es aber noch lange nicht mit dem gekonnten Vereinen von Gegensätzen. Auch vertrackte Parts und eingängige Refrains werden problemlos unter einen Hut gebracht (´The Law´). CORONER beherrschen nicht nur die ´Dissonance Theory´ sondern auch die praktische Umsetzung. Grundsätzlich tue ich mich ja mit Gitarrensoli schwer, aber sogar die überzeugen mich auf dem Album. Für mich dienen die Soli hier den Songs und nicht dem Ego des Saitenhexers – so soll es sein. Zudem sind sie sehr abwechslungsreich gehalten, Das Solo bei ´Transsparent Eyes´ könnte problemlos ein Classic Rock Scheibe bereichern.
Hinzu kommt für mich das beste Cover der Bandgeschichte in dem seit ´Punishment for Decadence´ etablierten Layout.
Hört euch einfach den Opner ´Consequence´ an, der bietet sehr viel von dem, was das gesamte Album auszeichnet. Und liebe Generation Spotify: Tut euch selber einen Gefallen und legt das Handy nach dem Start für eine Dreiviertelstunde aus den Fingern und taucht ab.
´Dissonance Theory´ ist ein beeindruckendes, intensives Album, das trotz seines Variantenreichtums wie aus einem Guss klingt.