Machine Head gehören zu den Bands mit volatiler Besetzung, bekanntlich ist Røbb Flynn, kleiner Scherz, die einzige Konstante. Immerhin wirklich konstant und nicht wie bei Bonfire, wo der Bandgründer eine gewisse Zeit lang ausgebootet war. Waclaw "Vogg" Kiełtyka tourte noch im Herbst 2023 mit Machine Head durch Südamerika und vermeldete Anfang 2024 seinen Ausstieg. Überschneidungen bei Verpflichtungen von Machine Head und seiner Hauptband Decapitated ließen ihn zugunsten seiner Hauptband entscheiden, so seine Einlassung im Februar 2024. Das war sehr wahrscheinlich nur die formale Trennungsmeldung, denn Reece Scruggs übernahm den vakanten Posten an der Lead-Gitarre bereits ab Januar 2024 mit Beginn der Welttournee Slaughter The Martour, ähm, natürlich Martøur.
Im November 2024 erfolgte die Albumankündigung für April 2025, im Februar 2025 wurde man konkreter. Erscheinungstermin 25. April 2025, 12 Tracks, davon zwei Instrumentale. Robb Flynn habe drei Auflagen vorgegeben für den Schreibprozess: Jeder Track solle nicht länger als 4 min lang sein, dann sei ein Tonartwechsel Pflicht und jedes Lied solle einen sich vom ersten Refrain unterscheidenden letzten Refrain vorweisen. Ich will nicht zu semantisch sein: Der Bandleader hat keine Ausnahmen für die Instrumentale zugelassen oder?
Ich könnte jetzt wie der Kaiser sagen: Schaun mer mal. Auflage 1 ist nicht erfüllt, denn BLEEDING ME DRY hat eine Länge von 5:36 min und SCØRN 4:16 min. Zum Tonartwechsel und Refrainunterschied: Wie geschrieben, fallen bereits die Instrumentale LANDSCAPE ØF THØRNS und DUSTMAKER durch und zum Rest sage ich mal mit gewisser selbstbewusster Faulheit salomisch: Kann sein. Robb Flynn ist der Kriegsgott, er kann den Schlachtplan und die Auflagen anpassen, wie er lustig ist - auch im laufenden Gefecht.
Die kompakten Songs sind tatsächlich eine gute Vorgabe. Und es ist unverkennbar ein Machine Head Werk.
Bei einigen Songs gefallen mir Abschnitte (meist die Strophen) mit Thrash-Gebolze nicht so, das gilt z. B. für ATØMIC REVELATIØNS, ØUTSIDER, THESE SCARS WØN'T DEFINE US und SHARDS ØF SHATTERED DREAMS (aber guter Refrain und gute Bridge). Und BØNESCRAPER wird Machine Heads neues Malle-Lied oder Stadionhymne. Und nein, es ist kein Cover des gleichlautenden Fear Factory Songs, der bekanntermaßen ohne skandinavischen Buchstaben auskommt. Phonetisch klingt der Refrain nach: Oooh, heeee, oooh, heeee. Es wird allerdings Gold gestreckt: Go-ho-ho-hold. Mir ein bisschen zu trivial diese Nummer.
Die Dynamik von NØT LØNG FØR THIS WØRLD finde ich sehr gut, eine feinklingende Powerballade mit zarten Keyboardeinsätzen. BLEEDING ME DRY finde ich ebenso spannend. Und SCØRN findet mein volles Gefallen mit seiner ruhigen erste Songhälfte und dem getragenen "metallischen" Rest.
Ungeschoren kommen Machine Head mit nichten davon, denn sie werden bewertet. Wie geschrieben - und mir ist es sehr wohl bewusst, dass Machine Head Vertreter des Bay-Area-Thrash sind -, ist das thrashige Gebolze nicht mein Gusto, aber es schließen sich ja sehr versöhnliche Refrains an, dann kommt wieder Gebolze und am Ende wieder ein guter (veränderter) Refrain. Auf der anderen Seite gibt es quantitativ von den zehn richtigen Liedern drei, die mir ohne Abstriche gefallen. Im direkten Vergleich von UNATØNED mit dem Vorgänger Øf Kingdøm And Crøwn und dessen Benotung, gebe ich somit Øf Kingdøm And Crøwn den Vorzug.
Machine Head bleiben sich treu, ohne langweilig zu sein. Robb Flynns Stimme, die typischen Chorgesänge, der Gitarrensound bei den Soli, die Gitarren-Squeels, der Groove, die Refrains (Ausnahme BØNESCRAPER) enttäuschen mit Sicherheit keinen Fan und keinen, der Machine Head erst mit UNATØNED kennenlernt. Glatt gut.
Vor mehr als drei Jahren müssen Machine Head - oder auch nur Robb Flynn - so viel Smørrebrød gefuttert haben, dass fortan ein Buchstabe einiger skandinavischer Sprachen das o gegen ø austauschte. So hieß denn auch das Studioalbum im Jahr 2022 Øf Kingdøm And Crøwn. Und der neueste Streich heißt UNATØNED. Und ein Hinweis an die eigene Teppichetage und Redaktion: Die Promoagentur wies explizit darauf hin, Album- und Songtitel ausschließlich als Versalien/Majuskeln auszuführen. Lassen wir uns leiten von der Kernfrage: Kommen Machine Head mit ihrem 2025er Album ungeschoren davon?