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Sodom – The Arsonist

VÖ: 27. Juni 2025   •   Label  Steamhammer/SPV
Nach mehr als 40 Jahren scheint sich der Weg von SODOM nun seinem Ende zu nähern, zumindest wenn man den Worten von Frontmann Tom glauben darf. Doch wenn sie gehen, dann zumindest mit einem echten Paukenschlag.

Wer hätte gedacht, dass sich aus den ersten „Bandproben“, in denen man in erster Linie Dosenbiere leer probte, eine mehrere Jahrzehnte anhaltende Karriere entwickeln und SODOM zu einer der bedeutendsten deutschen Thrash Metal Bands aufsteigen würden? Doch genau so ist es gekommen und während die ersten Demos vor allem im Untergrund für Aufmerksamkeit sorgten und mit dem ruppigen Debüt „Obsessed By Cruelty“ vornehmlich damalige Extrem-Metal-Fans begeistert werden konnten, katapultierte „Agent Orange“ die Band auf ein ganz neues Level.
Nach dem großen Knall 2018 und der Rückkehr von Frank Blackfire an der Gitarre hatten SODOM zunächst versucht, den Spirit der Anfangstage wiederzufinden, was in der Veröffentlichung diverser EPs sowie des Albums „Genesis XIX“ gipfelte. Vor allem die EPs fanden u. a. wegen des teils misslungenen Sounds nicht überall Zuspruch. Mir persönlich wirkte die Anbiederung an die Anfangstage vor allem auf den EPs etwas zu gezwungen, wohingegen mir „Genesis XIX“ durchaus gefallen hat.
Vielleicht war es das Bewusstsein, dass „The Arsonist“ möglicherweise das Vermächtnis der Ruhrpott-Thrasher darstellen würde, das dazu führte, dass der Vierer offenbar ganz ungezwungen ans Songwriting ging, bei dem alle Bandmitglieder einen Beitrag geleistet haben. Das Resultat ist ein abwechslungsreiches Thrash Metal Album, welches verschiedene Epochen der Bandgeschichte perfekt zusammenführt und dabei gleichermaßen authentisch wie ungezwungen klingt. Schlechte Songs sucht man auf der Scheibe vergebens. Stattdessen zahlt sich die aufwendige Produktion, bei der man das Schlagzeug über eine analoge 24-Spur Bandmaschine aufgenommen hat, hörbar aus. Das Album klingt nicht altbacken, greift aber durchaus den Geist der späten 80er und frühen 90er Jahre auf. In gewisser Weise wurden der etwas trockene Sound von „Agent Orange“ mit dem fleischigeren Sound der „Better Off Dead“ gekonnt kombiniert, um den Kompositionen einen angemessenen Klang zu verpassen.
Nach dem titelgebenden Intro wird sofort ein Riff auf den Hörer abgefeuert, das sowohl durch seine Schlichtheit wie durch seine Authentizität fesselt und den Hörer dazu animiert, gleich noch einen SODOM-, einen SLAYER- und einen KREATOR-Patch auf die Kutte zu nähen. Doch „Battle of Harvest Moon“ begeistert vor allem durch seinen Abwechslungsreichtum, durch Toms rüden Gesang, durch ein gelungenes Solo und durch die Einsicht, dass es auf der Thrash Autobahn nicht nur die linke Spur gibt. So geht man nicht nur im Refrain vom Gas, sondern wechselt nach guten zwei Minuten in einen gelungenen Groove Part. Besser kann man es eigentlich nicht machen, zumal es den Thrash Veteranen gelingt, ihr spielerisches Können voll in den Dienst des Songs zu stellen.
Auch wenn die erste Single „Trigger Discipline“ gemäßigt beginnt, trügt die Ruhe: Nach guten 25 Sekunden geht der Song in halsbrecherisches Tempo über und man fühlt sich nicht nur ob Toms wütendem Gesang an SLAYER oder GRIP INC. erinnert. Dieser Schuss ist auf jeden Fall ein Treffer.
Die zweite Single „Witchhunter“ ist eine Hommage an den verstorbenen Schlagzeuger Chris, der lange Zeit an Toms Seite stand, die Band aber schließlich wegen seiner Alkoholprobleme verlassen musste. Keine einfache Entscheidung. Der Song ist eine hörenswerte Hommage an eine tragische Figur des SODOM-Kosmos, die vom ex-Gitarristen Andy Brings ein anrührendes Video verpasst bekommen hat.
Pünktlich zur Halbzeit schiebt das Quartett mit „Scavenger“ einen Midtempo-Groover ein, der zwar in gewisser Weise eine kurze Verschnaufpause ermöglicht, aufgrund der fetten Grooves aber doch die Nackenmuskulatur beansprucht. Gefällt mir.
„The Spirits That I Called”, „Gun Without Groom”, „Taphephobia” oder das rasende „Sane Insanity”, welches stellenweise den Geist von WARHEADs „Good Christian” aufgreift, sind allesamt geile Thrash-Nummer geworden, die gekonnt zwischen den Tempi wechseln und zu jeder Zeit brachiale Gewalt ausstrahlen. „A.W.T.F.“ greift am ehesten die (punk-)rockige Seite von SODOM auf. Während die Riffs Einflüsse wie TANK durchschimmern lassen, treibt Toni die Band mit seinem gnadenlosen Beat schonungslos vor sich her. Da darf in „Twilight Void“ ruhig mal wieder etwas vom Gas gegangen werden – jedenfalls phasenweise.
Mit „Obliteration Of The Aeons” und „Return To God In Parts” hat die Band nicht etwa die Reste ihrer Songwriting-Session ans Ende des Albums gestellt, sondern zwei richtig fette Thrash Nackenbrecher, die eine gute Mischung aus Midtempo, Groove, Brutalität und Vollgas (z. B. im Solo-Teil von „Return…“) bieten.
Man kann natürlich anderer Meinung sein, und so klingt das Album für den Kollegen Linse „blutleer“, doch für mich ist „The Arsonist“ das überzeugendste SODOM Album seit Jahrzehnten. Klar hat Angelripper mit Bernemann und Makka klasse Alben herausgebracht, doch während im Refrain von „Caligula“ seinerzeit eher der GRAVE DIGGER an die Proberaumtür klopfte, reißt „Insane Insanity“ die ganze Bude kurzerhand mit einer fetten SLAYER-Abrissbirne ab.
Passend zur musikalischen Kriegserklärung wurde „The Arsonist“ mit einem dystophischen Schlachtfeld-Artwork versehen, welches nicht nur bestens zu SODOM passt, sondern auch den gegenwärtigen Zustand der Welt in aller Schonungslosigkeit porträtiert (auch wenn das vermutlich gar nicht intendiert ist).
Mit „The Arsonist“ haben SODOM zu einhundert Prozent zu sich gefunden und ein Album ohne jedwedes Füllmaterial aufgenommen. Und ebenso wie der Knarrenheinz auf dem Titelbild alles niederbrennt, feuern Angelripper & Co mit jedem Song eine volle Ladung aus den Boxen. Dies ist für mich der legitime Nachfolger des „Agent Orange“ Albums.
Sodom - Taphephobia (Official Lyric Video)
Sodom - Trigger Discipline (Official Lyric Video)
Sodom - Witchhunter (Official Video)
 
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